Abstecher ins Blue Note – Seeluft inklusive

■ Londoner Jazz-Clubs und ein wenig Kreuzfahrt-Glamour: Zu Schiff nach England

HamburgerInnen haben's gut. Der Weg zum England-Terminal ist nicht weit, und schon steht man an der Reling der „Hamburg“, die der mehr oder weniger schnieken Hafenrandbebauung abschiednehmend zututet und zügig elbabwärts tuckert. Der wunderbar entspannende Ausblick auf die vielen kleinen Elbdörfer im Abendsonnenschein signalisiert sofort: Jetzt beginnen die Ferien.

Die sind nicht lang. Nicht ganz fünf Tage dauert der Kurztrip nach London, gute 40 Stunden davon verbringt mensch auf See. Zum Beispiel in den kleinen gemütlichen Sitzecken im dicken Bauch der Fähre, die so tun, als wären sie englische Kaminräume. Der Anblick der lesenden, teetrinkenden Mitreisenden strahlt so viel Ruhe aus, daß man sich sofort dazugesellen möchte.

Doch stille Beschaulichkeit allein muß auch nicht sein. Nach etwa fünf Stunden ist die hohe See erreicht, der Magen kalorienreich und gut britisch mit fish and chips gefüllt – Zeit für die Mayfair-Lounge, die ein kleines Gefühl von Traumschiff-Glamour vermittelt. In einer Ecke des weiträumigen Saales lädt der Black-Jack-Tisch zur spielerischen Art des Geldwechsels, weniger wagemutige Gemüter sitzen in festgeschraubten 60er-Jahre-Clubsesseln um eine Tanzfläche herum. Sie begeben sich lieber in die Hände einer skurrilen Combo, die sicherlich gute Chancen hätte, als Backing-Band in einem Kaurismäki-Film mitzuwirken. Wenn die nicht gerade Evergreens und abgeschwächte Versionen neuer Dance Hits spielt, unterhält ein Entertainer die Passagiere zweisprachig mit Clubspielen. Ein glücklich strahlendes schottisches Rentnerpaar gewinnt den Tanzwettbewerb, und zur Belohnung gibt es eine Flasche Sekt. Um ein Uhr wird das nette Unterhaltungsprogramm beendet, und der Entertainer wünscht den noch verbliebenen, Slowfox tanzenden Gästen zärtlich eine gute Nacht.

Wer dann immer noch nicht schläfrig ist, gönnt sich noch einen romantischen Blick vom Außendeck. Bei Vollmond glänzt sogar die sonst eher trübe Nordsee silbrig, während die frische Brise dafür sorgt, daß man nun gerne ins gemütliche Etagenbett steigt. Der Weg dorthin wird begleitet vom schönsten Klang des Schiffes, den Schnapsflaschen im Duty-Free-Shop, die in ihren Metallregalen leicht aneinanderstoßen und eine hell klingende Glasmelodie erzeugen. United Sound of Tax-Free-Alcohol. Zehn Stunden und ein ausgiebiges Frühstück später nimmt eine freundliche Dänin die Reisenden in Harwich in Empfang und begleitet sie im Bus ins Londoner Hotel.

Zwei Tage und zwei Nächte verbleiben nun in der Metropole – ausreichend Zeit, sich ins Clubleben zu stürzen. Zum Beispiel ins Blue Note, benannt nach dem gleichnamigen Jazz-Label. Ein besonders guter Tag, den home-club von Goldie und der Metallheadz-Posse zu besuchen, ist der Sonntag – dann gibt's Drums 'n' Bass bis zum Montagmorgengrauen. Neu entdeckt (dank vorsorglich erworbenem Time-out-Magazine): Das Jazz Bistro, eine kleine Bar mit Tanzfäche, in der unterschiedliche DJs und DJanes neuen Jazz und electronic listening auf dem Plattenteller drehen. Im Social Club halten sich laut Magazin The Face angeblich die Britpop-Jungs von Blur und Oasis auf. Ein Club ohne Türpolitik und mit ersten Ergebnissen: Die Chemical Brothers remixen jetzt Blur.

Daß das komfortable Hotelbett ein bißchen zu kurz kam, ist bedauerlich, doch Erholung vom Londoner Clubleben bietet schließlich wieder das Schiff. Bis die gar nicht willkommene Empfangsmelodie vom Willkommhöft unmißverständlich signalisiert: Jetzt ist alles vorbei.

Nikola Duric/Claude Jansen

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