Drei Punkte an den Gegner

■ Poetry Skins kämpfen gegen Neruda-Hools Von Ian Watson

Das heutige Bundesligaspiel zwischen Werder Bremen und Schalke O4 mußte wegen Ausschreitungen frühzeitig abgepfiffen werden. Laut Augenzeugen hatten rivalisierende Besucher einer Lyriklesung Schuld an den Tumulten. Vorher hatten die beiden Randalierer-Gruppen – die Poetry-Skins und die Neruda-Hools – im Veranstaltungsort, dem Cafe Ambiente, nach einem Disput über die Vor- und Nachteile verschiedener Sonett-Formen alles kurz und klein geschlagen. Mit Sprechchören wie ,,Jewtuschenko, Jewtuschenko“, ,,Wir wollen keine Postmoderne-Schweine“ und ,,Nieder mit der Beat Generation“ zogen sie am nahegelegenen Weserstadion vorbei, wo bei lauem Spätherbstwetter mehrere tausend Zuschauer versuchten, eine mittelmäßige Partie zu genießen. Eine Gruppe drang durch das Marathontor mit der Kampfparole ,,Rache für Wembley“ – eine Anspielung auf die Ausschreitungen bei der diesjährigen Verleihung des T.S. Eliot Prize im englischen National Stadium, bei der gleichfalls zwei bewaffnete Gruppen nach Bekanntgabe des Preisträgernamens aufeinander losgegangen waren. Für den SV Werder erklärte Manager Willi Lemke: ,,An so einem schönen Tag, wo Bremer Familien ihrem unschuldigen Zeitvertreib nachgehen, mußten schon wieder diese Lyrik-Fans alles kaputt machen. Jetzt müssen wir wieder befürchten, daß die Punkte an die Gastmannschaft gehen.“ Für das Literaturkontor Bremen erklärte Geschäftsführer Jürgen Dierking, diese sogenannten Fans hätten mit der Lyrik und der überwiegenden Mehrheit ihrer Liebhaber eigentlich nichts zu tun; sie hätten in der Tat oft keine Ahnung von Literatur, würden halt gewalttätige Auseinandersetzungen um ihrer selbst Willen suchen und lediglich zu diesem Zweck die gegenwärtige Massenpopularität der Lyrik ausnutzen. Er plädierte für sofortige Maßnahmen gegen die Rädelsführer. Allerdings gab das Bremer Polizeipräsidium abends bekannt, daß erst nach der Festnahme zweier stadtbekannter Unruhestifter – der beiden Lyriker Otmar Leist und Max Schmalz – „die Sache richtig losgegangen“ sei. Im Vorfeld der bevorstehenden EuroVerse 2001 in der Hansestadt verlangte die örtliche CDU erneut das Verbot aller lyrischen Verbände, allen voran der befürchteten Sarah-Kirsch-Fraktion. Foto u.: N. Wolff