Im Jahr des Goldrauschs

Während der Boom der NBA unvermindert anhält und die Superstars ihre Milliönchen zählen, brodelt in den Niederungen der Liga Unmut  ■ Von Matti Lieske

Berlin (taz) – Wenn die Entwicklung in der nordamerikanischen Basketball-Liga NBA so weitergeht, könnten Trips wie jener der Seattle SuperSonics und Indiana Pacers nach Europa bald ähnlich riskant werden wie die der kubanischen Baseball-Nationalmannschaft ins Ausland: Keiner weiß, wie viele Spieler nach Hause zurückkehren. Die Sommerpause in der Liga, als die sogenannten free agents ihre neuen Kontrakte aushandelten, wies alle Anzeichen eines veritablen Goldrauschs auf. 25 Millionen Dollar für ein Jahr Michael Jordan, 105 Millionen für sieben Jahre Alonzo Mourning und 120 Millionen für sieben Jahre Shaquille O'Neal – dreimal mehr als Barry Bonds, der bestbezahlte Baseball-Crack, bei den San Francisco Giants kassiert. Selbst Spieler ohne Dream-Team-Format, wie New Yorks aus Detroit gekommene Neuverpflichtung Allan Houston, schleppen noch 6,5 Millionen pro Jahr nach Hause. „Ich werde meine Mutter entlassen“, schimpft Charles Barkley, der vergleichsweise bescheiden mit knapp fünf Millionen pro Saison auskommen muß, „sie hat mich zu früh bekommen.“

Aber der Dollarsegen für die begehrten free agents hat eine Kehrseite. Zum einen aufmuckende Topspieler, deren erheblich niedriger dotierte Verträge noch eine Weile laufen und die sich unterbezahlt fühlen, wie zum Beispiel Seattles Shawn Kemp, der sich im Streik befindet und seinem Team bei den Exhibitions in Berlin und Sevilla fehlt. Zum anderen jene free agents, für die wegen der von der NBA verordneten salary cap nur der Mindestlohn von 247.500 Dollar bleibt. Die Gehaltsobergrenze pro Team beträgt derzeit 24,3 Millionen Dollar, mit einem Shaq ist sie schon fast erreicht. Wer solch einen großen Star verpflichten will, muß andere teure Spieler abgeben und seinen Kader mit Mindestlöhnern auffüllen.

Es entsteht eine Zweiklassengesellschaft, die plötzlich sogar Europa für manchen auf der Strecke gebliebenen NBA-Spieler interessant macht. Kamen früher nur Cracks, die den Zenit ihrer Karriere weit überschritten hatten, tummeln sich in Frankreich, Griechenland, Italien und Spanien nun auch Leute wie J. R. Reid, Sedale Threatt, John Amaechi, Scott Skiles, John Crotty, Willie Anderson oder Anthony Bowie, nicht die Crème de la crème natürlich, aber solide Akteure bei ihren bisherigen NBA-Teams.

„Das kann ein Problem werden“, sagt Detlef Schrempf zum neuen Gehaltsgefälle in der Liga, obwohl ja 250.000 Dollar keinesfalls ein Pappenstiel seien. „Aber da sitzt einer, der zehn Millionen kassiert, auf der Bank neben einem, der 250.000 verdient, und beide tun im Prinzip das gleiche.“ Auch George Karl fürchtet, daß Neid und Frust in der kommenden Saison, die am 1. November beginnt, gewaltig zunehmen werden. Ebenso wie NBA-Commissioner David Stern ist der Trainer der Seattle SuperSonics jedoch davon überzeugt, daß die Turbulenzen nur temporär sein werden. „Das Spiel hat eine enorme Fähighkeit, sich anzupassen“, sagt Karl, und der NBA-Boß verkündet gutgelaunt: „Wenn es zu schlimm wird, müssen wir uns eben mit der Spielergewerkschaft zusammensetzen und neue Richtlinien festlegen.“ Im übrigen seien die hohen Gehälter in Ordnung: „Sie beweisen nur, daß die NBA floriert.“

So etwas hebt die Stimmung, und daher präsentiert sich David Stern in Berlin auch als geballte Ladung guter Laune. Seit seinem Amtsantritt vor zwölf Jahren ist die NBA von einer wenig beachteten Schmuddel-Liga zum Showunternehmen mit globaler Ausstrahlung geworden. Die Erfolgszahlen sprudeln dem Commissioner mit sichtlichem Vergnügen über die Lippen. In 180 Ländern läuft die NBA im Fernsehen, fast vier Millarden Dollar sollen im nächsten Jahr die Merchandising- Einnahmen betragen. Die Auslandsauftritte wie der alle zwei Jahre in Europa stattfindende McDonald's Cup, an dem der NBA-Champion teilnimmt, laufen glänzend. Das Berliner Match zwischen Indiana und Seattle am gestrigen Abend war schon im Juni binnen drei Tagen ausverkauft, ebenso das morgige Rückspiel in Sevilla sowie das Viererturnier nächste Woche in Mexiko-Stadt, an dem Dallas, Phoenix, Cleveland und Utah teilnehmen. Für die zwei regulären Saisonspiele zwischen Orlando Magic und den New Jersey Nets im November in Tokio gingen sogar 70.000 Karten zum stolzen Durchschnittspreis von 130 Dollar binnen drei Stunden weg.

Gar zu weit möchte aber selbst Stern die Globalisierung seiner Liga nicht treiben: Ein NBA-Team in Europa oder Japan schloß er auch für die fernere Zukunft definitiv aus: „Die Ligen dort sollen wachsen, aber wir werden uns nur bei Olympia, Weltmeisterschaften und dem McDonald's Cup miteinander messen.“ Wann es die erste Niederlage gegen ein europäisches Team gibt? „Irgendwann, wenn ich nicht mehr Commissioner bin.“