Metallene Milchstraße

■ „Amores“ und „percussion art quartett“

Ein Mann tanzt mit schweren Holzschuhen, im Mund einen Stock mit Rasseln an beiden Enden, klappernd und stampfend seine Wut ab. Die Amores Percussion Group aus Valencia spielt in der Konzertreihe Know No Bounds das Stück „Dressur“, das Mauricio Kagel 1932 komponierte. Die Parodie, im Sinne einer musikalischen Dressur, verbindet handwerkliche Kunst mit zirkusähnlichen Show-elementen. Noch spannender aber ist „Pleiades“ von Iannis Xenakis.

Schlagzeuge überschreiten ihre Begrenzungen als Rhythmusinstrumente, um wunderschöne Melodien zu kreieren. Sterne geben Töne ab, ein metallisch kalter Wind weht. Pleiaden nennt man einen Sternenhaufen im Sternbild des Stiers, der nach der griechischen Mythologie die Sieben Schwestern, die Dienerinnen der Göttin des Mondes, darstellt. Das Musikstück bespielt die Verwandlung einer der Schwestern, Elektras, nach dem Fall der Stadt Troja, in einen Kometen. Das metallisch vielfarbige Sterben der Elektra hört sich an wie „smrt“, das slovenische Wort für Tod.

Millionen metallischer Töne ziehen in das Schwarze Loch, Ursprung des Universums. Kometen werden angesaugt und verschwinden, in einem Stimmen-Wirrwarr ertönt das Universum. Marimbaphone und das von Xenakis erfundene Schlaginstrument Sixxen erreichen in mathematischer Präzision und mit rasender Geschwindigkeit die Milchstraße. Pausen intensivieren die Spannung. Blitzartige Blicke bedeuten Spielaufforderungen. Jeder der Musiker von Amores und des Würzburger percussion art quartett leitet die Schlagwirbel in unterschiedlicher Weise über seinen Körper weiter. Köpfe rucken, Beine treten unbewußt die Anspannung weg. Auf der Suche nach Dissonanz fallen die Musiker in Harmonie und Gleichklang zurück und nehmen mit Halbtönen und Triolen neuen Anlauf ins Unmelodiöse. Handwerker voller Ehrfurcht, süchtig nach dem Klangspektrum ihrer Instrumente.

Kerstin Kellermann