Der Sänger schaut entschlackt auf die Welt

■ Doch noch nicht reif für den Biolek: Die Berliner Rockchansonniers Element Of Crime haben sich mit ihrem neuen Album aus den Klauen der Kleinkunst befreit

Zuletzt sah es so aus, als sei die Berliner Gruppe Element Of Crime gefangen und verloren. In den häßlichen Klauen der Kleinkunst mitsamt ihren harmoniegeladenen Attributen. Das Album zum Abstieg hieß „Weißes Papier“ und war doch finster wie die schwarze Nacht. Und es schien den künftigen Weg der Band abzustecken: hin zu Alfred Biolek, Renegatentum und dem Austausch von Nettigkeiten, weg von der Suche nach der verlorenen Zeit. Kein gutes Fahrwasser also für diese seit elf Jahren bestehende Band, deren Sänger einst ein Faible für den dänischen Regisseur Lars von Trier hatte – nach dessen morbidem Film „Element Of Crime“ sich das Quartett Mitte der achtziger Jahre benannte.

Wie so häufig kam alles ganz anders: „Die schönen Rosen“, das achte Album dieses Zusammenschlusses „junger, trauriger Männer“ (Regener), geriet wider Erwarten zu einem äußerst gelungenen, modernen Versuch, gültige Alltagsbetrachtungen in melancholische Musik zu transferieren. Die Sonne wirft Schlagschatten an diesem warmen Morgen im Spätsommer, als Sven Regener in einem Berliner Straßencafé beim Gespräch schwarzen Kaffee ordert. Einen für ihn, einen für mich.

„Die Zeit ging mit Verwerfen drauf. Dem Kappen dessen, was nicht sein muß.“ Sven Regener schaut entschlackt. Er spricht von einem Neuanfang trotz gleichgebliebener Ziele (weitermachen!) und Arbeitsweisen (deutsche Chansons).

Wer so redet, ist verliebt

Auf die Feststellung, daß in seinen Texten ungeachtet jeden Neuanfangs ständig Streicheltiere wie Hasen, Katzen oder Enten auftauchen, um als niedliche Metaphern herzuhalten, sprudelt es vor lauter Glücksglühen aus ihm heraus: „Einmal stand in einem Artikel über uns geschrieben: Wir wären wie Enten auf einem halbzugefrorenen See. Dieses Bild hat mir so gut gefallen, daß ich es in dem Lied ,Long, long Summer‘ aufgegriffen, geklaut hatte. Und so haben sie sich eingeschlichen, die Enten. Aber es geht auch ohne sie. Es geht auch ohne Seemannslieder. Ich bin doch nicht Alfred Hitchcock.“

Wer so redet, ist verliebt. Regener in eine Mitarbeiterin seiner Hamburger Plattenfirma. „Es sind immer wieder Brüche, die Menschen dazu bringen, ihr bisherigen Leben zu überdenken – manchmal empfinde ich diese wie eine Sollbruchstelle beim Schlagstock. Meine privaten Katastrophen und Euphorien haben meistens mit Liebe zu tun gehabt. Und die meisten Erlebnisse können einmal zu einer guten Geschichte werden.“ Vielleicht wird es Regener ja in die Hansestadt ziehen? Und vielleicht wird dann wieder alles anders?

Ein Stück auf dem neuen Album von Element Of Crime trägt den Titel „Abendbrot“. In dichter, assoziationsreicher Sprache wird hier ein Bild der Müdigkeit nach einem anstrengenden Tag gezeichnet: „Manchmal passiert es, daß man etwas mit ganz anderen Augen sieht. Ich nenne das immer den ,dritten Blick‘. Dann sieht man etwas Dreidimensionales flächig. Oder Autos. Man bekommt einen Schub, und dann sieht man einen Menschen mit Hut, der ganz furchtbar schnell und wendig ein großes rotes Gefäß aus Blech und Stahl mit Rädern dran durch die Straßen rollt. Das ist dann kein Auto mehr. Diese Sichtweise ist ein Blick auf das Absurde. Das ist doch großartig, so etwas Absurdes.“ Und die Musik ist immer getragen.

Bemerkenswert ist heute vor allem, wie sehr die Sprache bei Element Of Crime zum Klang wird, wenn Regener zum Singen ansetzt: Häufig stellt sich auf „Die schönen Rosen“ jener Effekt ein, den man vom Hören fremdsprachiger Musik kennt – man nimmt Wörter wahr, einzelne Sätze. Doch der Zusammenhang rückt in den Hintergrund. Vielleicht sind die Texte deswegen auf dem geschmäcklerisch gestylten Cover des Albums abgedruckt? Dieses zeigt einen offenen Koffer voller Wasser, einen fliegenden Fisch und gräßliche Nostalgiepuppen. Das Bild einer Ente hätte da wohl besser gepaßt. Maximilian Dax

Element Of Crime: „Die schönen Rosen“ (Motor Music)