■ Nebensachen aus Warschau
: Der allabendliche Fettkrieg

Seit einigen Tagen starrt in ganz Polen eine Dogge mit hungrig fragendem Blick Passanten und Autofahrer an. „Wenn du ihn nicht mit Aufhellern, Emulgatoren und künstlichen Farbstoffen fütterst, warum ißt du das dann selbst?“ bohrt sich die unangenehme Frage in die Eingeweide.

Leider verrät die Plakatwand nicht, was der arme Konsument nun wieder Falsches in sich reingestopft hat. Das Rätsel löst sich am Abend vor dem Fernseher. Da schnuppert dieselbe Dogge an einem mit Margarine bestrichenden Brot, hebt ekelverzerrt die Schnauze, wendet sich ab und durchbricht im Turbotempo eine geschlossene Tür. Butter solle der Mensch essen, denn das sei Natur, und Natur sei gesund. Mit diesem Slogan eröffneten die Molkereien den ersten polnischen Fettkrieg.

Der Pole verspeist heute im Jahresdurchschnitt nur 3,5 Kilo Butter, aber zwölf Kilo Margarine. Ende der 80er Jahre schmierte er sich noch ganze neun Kilo Butter aufs Brötchen und nahm die Margarine nur zum Braten und Kochen.

Doch aus den unansehnlichen blaßgelben Fettklumpen von einst sind in den letzten sechs Jahren proper aussehende Margarinedöschen mit so freundlichen Namen wie „Die Sonnige“, „Tina“, „Kama“ oder „Delma“ geworden.

Die Butter hingegen heißt noch immer Butter und wird in den Läden angeboten, als habe Beuys persönlich die Kühltheken gestaltet. Über 60 Prozent der Polen glauben heute, daß Margarine gesünder sei als Butter, weil sie weniger Cholesterin enthalte.

„Ganz falsch“, sagen da heute die Butter-Wissenschaftler: „Es mag schon sein, daß seit 1989 rund 11 Prozent weniger Polen an Herzversagen gestorben sind. Aber woran sind sie denn gestorben? An Leberkrebs, an Hirnschlag und Alzheimer. Und das sind die Folgen von Cholesterin- Unterversorgung!“ Die Magarinewissenschaftler wissen genau: „Dafür gibt es keine Beweise!“ Und ein Unparteiischer empfiehlt salomonisch: „Am besten ißt man gleichermaßen Butter und Margarine. Das ist am gesündesten.“

Im abendlichen Fettkrieg stürmt nun eine Kuh gegen die Dogge an. Bedrohlich in den Himmel wachsende Skalen machen ihr klar, wieviel mehr ungesättigte Fettsäuren und schädliches Cholesterin Butter gegenüber Margarine enthält. Die Kuh kann kaum fassen, daß die Butter aus ihrer Milch so krank machen soll. Doch am Ende ist sie überzeugt: „Ich esse nur noch Margarine!“

In England, so warnte die Tageszeitung Rzeczpospolita, habe der Butter-Margarine-Krieg zu einem für beide Seiten fatalen Ergebnis geführt. Die verwirrten Konsumenten hätten nur begriffen, daß sie von Butter einen Herzinfarkt und von Margarine einen Hirnschlag bekämen. Sie bestrichen ihr Frühstücksbrötchen nunmehr mit Mayonnaise. Gabriele Lesser