Rußlands sicherer Sicherheitsberater

Iwan Rybkin wird von Boris Jelzin zum Nachfolger des geschaßten General Lebed ernannt. Der Ex-Dumavorsitzende will Friedenspolitik in Tschetschenien fortsetzen  ■ Aus Moskau Barbara Kerneck

Der Sprecher der vorigen Duma, Iwan Rybkin, wurde am Sonnabend zum Sekretär des Sicherheitsrates und Nachfolger des in Ungnade gefallenen Generals Alexander Lebed ernannt. In Moskau erhitzte dies kaum ein Gemüt. Gestern, an seinem 50. Geburtstag, entschloß sich Rybkin in einer Interview-Sendung des Nationalen Russischen Fernsehkanals sogar zu einem halbherzigen Lob seines Vorgängers: „Ich glaube, daß den Frieden in Tschetschenien alle Einwohner Rußlands gleichermaßen wünschen und erwarten... Ich meine, daß die Arbeit des Sicherheitsrates Kontinuität wahren muß. Ich bin einfach überzeugt davon, daß die in Tschetschenien geschlossenen Friedensverträge das Resultat der Anstrengungen vieler Menschen sind. Und unseren ersten, gemeinsamen Erfolg auf diesem Gebiet hat Alexander Iwanowitsch Lebed geerntet. An diesen Verträgen darf es keinen Zweifel geben, ja nicht einmal einen Hinweis darauf. Ich weiß, daß dies die Meinung sowohl des Präsidenten als auch des Premierministers ist, als auch vieler Schlüsselpolitiker in Rußland.“

Weniger generös zeigte sich der abgehalfterte Alexander Lebed, als er die Figur seines Nachfolgers am Samstag abend kommentierte: „Jetzt haben sie sich einen ,sicheren‘ Sicherheitsratssekretär ausgesucht“, sagte Lebed. Der Sicherheitsrat werde unter Rybkins Führung zu einer ruhigen, bürokratischen Instanz, von der niemand mehr etwas hört und die niemand kennt, sagte Lebed weiter und gab damit der Vermutung Ausdruck, daß der Sicherheitsrat unter Rybkin vermutlich keine selbständige Rolle mehr spielen wird.

Was allerdings Tschetschenien anbetrifft, so bleibt der Verdacht bestehen, Lebed habe seine Rolle als „Friedensstifter“ einzig und allein an seinen persönlichen Chancen zur Machtergreifung ausgerichtet.

Am Wochenende wurden in Moskau weitere Einzelheiten zum Plan für eine 50.000 Mann starke Todesschwadron gegen oppositionelle Bewegungen im eigenen Land bekannt. Der Text zeugt vom wahren Geist der russischen Machtelite. Zwei Monate lang hatte er Innenminister Kulikow und Verteidigungsminister Rodionow vorgelegen. Zum Protest gegen dieses Denkmodell entschlossen sich die beiden aber erst, als es an der Zeit erschien, den Kollegen zu stürzen.

Das Dokument schlägt vor, zusätzlich zu den psychisch schwer geschädigten eigenen Veteranen aus den Kriegen in Afghanistan und Tschetschenien auch serbische Ex-Kämpfer einzugliedern. Nicht ausgeschlossen sind dabei offenbar Leute, die als Kriegsverbrecher weltweit gesucht werden: „Wir sollten den Veteranen der serbischen Sondereinsatztruppen die Möglichkeit geben, Rußland auf gesetzliche Weise ihre Schulden zurückzuzahlen. – Sie sollten die einzigartige Erfahrung weitergeben und mit uns teilen, die sie im Kampf mit den bosnischen Muslimen und mit den Muslimen anderer Länder im Partisanenkrieg errungen haben... Einzig und allein Gerüchte darüber, daß diese Leute auftauchen könnten, vermochten die von den Tschetschenen benutzten islamischen Söldner zu demoralisieren. Die Notwendigkeit, der religiös-geistig orientierten Kampfeskraft der Tschetschenen etwas entgegenzusetzen, verstehen am besten die Serben...“