Hashimoto verfehlt knapp absolute Mehrheit

■ Konservative Tendenz in Japan: Liberaldemokratische Partei gewinnt Parlamentswahlen, muß aber Koalitionspartner suchen. Neugründungen chancenlos

Tokio (taz) – Die Liberaldemokratische Partei (LDP) ist die Gewinnerin der japanischen Parlamentswahlen. Nach Auszählung von 80 Prozent der Wahlkreise hatte sie am Sonntag abend bereits ihre Vorwahlstärke von 211 Mandaten erreicht. Für die absolute Mehrheit im 500köpfigen Tokioter Unterhaus fehlten ihr nur noch 40 Sitze. Nach Hochrechnungen der japanischen Fernsehanstalten schien absehbar, daß die LDP das zunächst gar nicht anvisierte Ziel der absoluten Mehrheit nur um wenige Mandate verfehlen würde.

Trotz der deutlichen Gewinne der Liberaldemokraten weigerte sich deren Spitzenkandidat, von einem Wahlsieg zu sprechen. „Wir können noch nicht von einem Sieg sprechen, weil wir im Oberhaus nicht über die Mehrheit verfügen“, sagte Premierminister Ryutaro Hashimoto. Damit deutete er auf die bevorstehenden Schwierigkeiten hin, in Tokio eine handlungsfähige Regierung zu bilden. Bisher regierten die Liberaldemokraten in einer Koalition mit den Sozialdemokraten, die nach den gestrigen Wahlergebnissen fast völlig von der politischen Landkarte verschwinden. Gerade der überzeugende Wahlsieg der LDP macht es der Partei nun schwer, einen neuen Koalitionspartner zu finden, da inzwischen alle anderen Parteien fürchten, unter dem drückenden Gewicht der größten Regierungspartei ihr Profil zu verlieren.

Wichtigste Wahlverliererin ist indessen die erst vor zwei Jahren gegründete Neue Fortschrittspartei (NFP). Die größte Oppositionspartei wollte unter Führung des bürgerlich-liberalen Reformpolitikers Ichiro Ozawa erstmals eine realistische Regierungsalternative zur LDP präsentieren. Ihr wurde gestern abend zwar nur ein Verlust von wenigen Mandaten prophezeit, doch hatte sie ursprünglich auf große Gewinne gehofft.

Die konservative Tendenz des Wahlergebnisses bestätigte sich auch im schlechter als erwarteten Abschneiden der Demokratischen Partei Japans (DPJ). Nach ihrer Gründung Ende September hatte die neue Partei große Erwartungen geweckt, weil sie eine jüngere Generation von Politikern ins Rampenlicht rückte. Doch der erhoffte Publikumserfolg blieb aus, die Partei verbuchte keine Mandatsgewinne. Statt dessen mußte DPJ-Chef Naoto Kan, der zu Jahresbeginn den japanischen Aids- Blutkonservenskandal enthüllt hatte, gestern miterleben, wie ein für die Ausgabe der HIV-verseuchten Medikamente ehemals zuständiger Gesundheitsbeamter seinen Wahlkreis für die LDP gewann. Georg Blume