Japanische Restauration

■ Die Liberaldemokraten gewinnen die Wahlen

Über mehr als drei Jahre regierten in Japan Koalitionen, von denen keine über ein klares Wählermandat verfügte. Dieses Chaos ist nun vorbei. Trotz vieler Skandale sind die Liberaldemokraten seit gestern wieder die unangefochtene Regierungspartei. Zähneknirschend haben die JapanerInnen die Restauration gewählt.

Vorbei die Zeit der Hoffnung, als nach den letzten Parlamentswahlen im Sommer 1993 die Opposition für kurze Zeit nach der Macht griff. Mit Ryutaro Hashimoto gewann ein liberaldemokratischer Führer die Wahl, der als Premierminister populär und professionell zugleich agierte. Er zerstreute den Streit um die amerikanischen Militärbasen auf Okinawa, legte die Bankenkrise bei und hatte zu Jahresbeginn das Glück, den ersten Konjunkturaufschwung seit 1992 zu begleiten.

Hashimoto hat gewonnen. Und nun? Das Land braucht Reformen, um die Mißwirtschaft im Staatswesen in den Griff zu bekommen. Darum wird auch Hashimoto nicht herumkommen. Das zentrale Thema des Wahlkampfs – die Verwaltungsreform, die heute alle Parteien befürworten – wies in die richtige Richtung. Hier steht zum ersten Mal die Macht der seit Jahrhunderten konfuzianisch geprägten Staatsbürokratie zur Diskussion. Ihr Herrschaftsmonopol wackelte auch in der amerikanischen Besatzungszeit nicht. Wenn also heute in Tokio diskutiert wird, wie sich die Parteien der Bürokratie bemächtigen und ihr Primat über die Politik einlösen, dann ist dies wesentlicher als die Frage, welche Partei den Premierminister stellt.

Ein echter Machtwechsel steht mit Hashimotos Sieg noch immer aus. Weit beunruhigender als dieses Demokratiedefizit ist jedoch die Aussicht, daß auch eine Wachablösung politisch belanglos bliebe, solange eine autokratische Staatsbürokratie jedem Minister die Gesetzesvorlagen diktiert. Nicht nur in Japan, auch in Korea und China lautet die Frage: Dient der Staat dem Bürger, oder dienen die Bürger dem Staat?

Japan befindet sich also weiterhin in einer Übergangssituation. Für Alternativen ist reichlich Platz. Wenn nicht alles täuscht, waren nur die wenigsten JapanerInnen gestern von ihrer Wahl so überzeugt, daß sie beim nächsten Mal nicht ganz anders stimmen könnten. Georg Blume

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