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Ein Luftschloß im Norden

Den Nordstaat-Landtag auf dem Hamburger Domplatz gibt es schon als Modell: Jetzt fehlt dem Bürgermeister nur Hinterland  ■ Von Silke Mertins

Mit Dankbarkeit betrachtet man den zukünftigen Nordstaat-Landtag: Kein Backstein weit und breit. Das allein ist in der Hamburger Architekturlandschaft ja schon als kühn zu bewerten. Eine luftige Konstruktion aus Glas und Stahl soll das Parlament des vereinigten Nordens einmal werden. Noch ist es nur aus Pappe und in der Rathaus-Diele ausgestellt.

Bevor es ans Zeichnen, Basteln und Kleben ging, haben die beiden Architektur-Diplomanden Markus Nölle (28) und Henning Röhrs (32) erst einmal den Nordstaat entwerfen und den Rotstift ansetzen müssen. Wozu braucht man in diesen mageren Zeiten öffentlicher Kassen fünf Landesparlamente, fünf Regierungen, fünf Verwaltungen und so weiter? Warum nicht Hamburg, Niedersachsen, Bremen, Schleswig-Holstein und Mecklenburg-Vorpommern (liegt das nicht im Osten?) zusammenlegen? 149 Abgeordnete reichen völlig.

Landeshaupt-stadt würde natürlich die norddeutsche Metropole Hamburg. Dieser Ansicht ist im übrigen auch Bürgermeister Henning Voscherau (SPD), den Parteikollegin Elisabeth Kiausch unter sozialdemokrati-schem Beifall auch schon mal den „ungekrönten König Hamburgs“ nennt. Ein Königreich wird ihm jedoch von den bösen Nachbarn verweigert – von der schleswig-holsteinischen Ministerpräsidentin Heide Simonis (SPD) zum Beispiel, die ihren Regierungsbereich partout nicht als Hinterland für Voscheraus Nordstaat begreifen will.

Daß die gestern eröffnete Ausstellung der architektonischen Nordstaat-Vision „mit der aktuellen Diskussion über den Nordstaat zusammenfällt“, sei reiner Zufall, versicherte Bürgerschaftspräsidentin Ute Pape. Und sie fände die Arbeit der Studenten wegen „einiger pfiffiger stadtplanerischer Ideen“ richtig gut. Deswegen war sie auch so willig, die Diplomarbeit im Rathaus der geneigten Öffentlichkeit zu präsentieren. Doch wie lang der Weg zum Nordstaat sich hinzieht, „wissen wir nicht“.

Es ist den beiden Architektur-Diplomanden auch einigermaßen egal, obwohl es schon sein könnte, daß die Ausstellung „als Provokation empfunden wird“. Den Studenten Nölle und Röhrs ging es um Höheres, um eine politische Vision, und darum, wie (die vom Volke ausgehende) Macht sich selbst darstellt. „Wir wollten einen Landtag bauen, der dem modernen Verständnis von Demokratie mehr entspricht als sonst üblich“, so Nölle.

Und wo von modern die Rede ist, dürfen natürlich die Worte Transparenz und Offenheit, ganz zu schweigen von Bürgernähe, nicht fehlen. Dabei soll aber auch „schlicht“ gebaut und nicht so protzig wie in Berlin geklotzt werden. Konkret umgesetzt entsteht dann Glas am Bau, und zwar ganz viel. Außerdem „eine große Besuchertribüne“ über dem Plenarsaal, einladende Eingangsbereiche und Durchsichtigkeit allerorten.

Der große, eckige Glaspalast fürs Nordparlament soll auf dem Hamburger Domplatz, dort, wo dereinst die Hammaburg stand und jetzt ein Parkplatz ist, eine Heimstätte finden. Daß ein solch historien-geschwängerter Platz nun mal in Hamburg zu finden sei, dafür könnten sie nichts. Und überhaupt solle man „über die Schatten kleinkarierten Denkens“ hinwegzukommen versuchen. Ach, das hätte König Henning nicht schöner sagen können.

Die Ausstellung des Modells eines Landtagsgebäudes auf dem Hamburger Domplatz, entworfen von Markus Nölle und Henning Röhrs (Fachhochschule HH), ist noch bis zum 1. November in der Rathaus-Diele zu sehen.

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