Bittere Pille für Verbraucherzentrale

■ Für heute geplante Herausgabe der Neuauflage der Positivliste von Medikamenten verzögert sich. Verbraucherzentrale sichert sich ab, weil juristische Schritte der Pharmaindustrie wahrscheinlich sind

Die Arzneiliste, die eigentlich heute von der Verbraucherzentrale veröffentlicht werden sollte, kommt vorerst nicht auf den Markt. „Die Verhandlungen darüber laufen noch“, sagte die Sprecherin der Verbraucherzentrale, Eva Gröfer. Deshalb soll es heute ein erneutes Treffen der an der Herausgabe beteiligten Verbraucherzentralen Berlin, Hamburg, Baden-Württemberg und Niedersachsen geben. Weitere Einzelheiten, wann und ob die Liste überhaupt erscheint, wollte die Sprecherin nicht nennen.

Die „Liste der zu empfehlenden Arzneimittel“, wie sie mittlerweile heißt, sollte nach dem Vorbild der von Ärztekammerpräsident Ellis Huber herausgegebenen „Berliner Postivliste“ veröffentlicht werden. Diese Liste enthielt all die Medikamente, die besonders wirksam und preiswert sind. Nach der Veröffentlichung im vergangenen Sommer erstritten 14 Pharmafirmen, und anderem die Sandoz AG und die Boehringer Ingelheim KG, einstweilige Verfügungen gegen Huber und die Ärztekammer. Huber wurde untersagt, die für Ärzte konzipierte Auswahlliste mit den 400 am häufigsten eingesetzten Wirkstoffen und 600 Fertigarzneien in den Verkehr zu bringen und zu vertreiben. Die Begründung: Unzulässiger Eingriff in den freien Wettbewerb.

Aufgrund dieser massiven Einschüchterungen der Pharmaindustrie geht Johannes Beckmann vom Bundesverband der Innungskrankenkassen davon aus, daß die Verbraucherverbände deshalb die Veröffentlichung der Liste noch einmal juristisch durchchecken lassen. Beckmann rechnet jedoch trotzdem damit, daß die Liste bald zu erhalten sei.

Thomas Postina vom Bundesverband der Pharmazeutischen Industrie sagte gegenüber der taz, er könne sich „gut“ vorstellen, daß einige Pharmafirmen erneut klagen würden. „Konkrete“ Pläne seien ihm bisher aber nicht bekannt. Die Pharmaindustrie kritisiere die Liste deshalb, da dadurch bestimmte Medikamente, insbesondere für ältere Menschen, „ausgegrenzt“ würden. So seien beispielsweise durchblutungsfördernde Mittel nicht enthalten. Die Wirksamkeit dieser Salben ist jedoch in der Ärzteschaft höchst umstritten.

Ellis Huber muß sich zwangsweise von der Neuauflage seiner Liste distanzieren, sonst drohen ihm aufgrund der einstweiligen Verfügungen Strafgelder von mehreren 100.000 Mark. Kritik an den Gerichtsentscheidungen übt er trotzdem weiterhin: „Aufgrund der Rechtslage wird deutlich, daß das Umsatzinteresse der Pharmakonzerne höher bewertet wird als die Bedürfnisse der Bevölkerung.“ Huber muß aufgrund der Klageflut 180.000 Mark Gerichts- und Anwaltskosten zahlen. 60.000 Mark sind bisher – überwiegend von KollegInnen – gespendet worden. Julia Naumann