Klinik für Stehaufpatienten

■ Bundesweit einzigartige Tagesklinik für chronisch Kranke im Zentralkrankenhaus St.Jürgen-Straße

Noch riecht es nach frischer Farbe auf Station 11 im Zentralkrankenhaus St. Jürgen-Straße. Doch schon Anfang November soll dort ein bundesweit einzigartiges Pilot projekt an den Start gehen: Eine Tagesklinik für chronisch Magen- und Darmkranke, Diabetiker und Hormonkranke öffnet dann ihre Pforten. Die alte Station in der Inneren Medizin wurde für 680.000 Mark komplett renoviert, jetzt stehen 15 Betten für Tagespatienten in hellen Zimmern bereit. Sie können auch trotz akuter Krankheiten nachts zuhause im eigenen Bett schlafen.

Eine Tagesklinik in dieser Form sei völlig neu, erklärt Klinikdirektor Wolfgang Arnold von der Inneren Medizin II. Arnold sitzt mit seinen Direktoren-Kollegen in einem frisch renovierten Aufenthaltsraum: Dort sollen Diabetiker und chronisch Darmkranke gemeinsam mit einer Ernährungsberaterin essen und „sich gegenseitig mit ihren Berechnungseinheiten kontrollieren.“ Tages-Stationen gebe es zwar bereits in Frankfurt, Wiesbaden oder Berlin, „aber sie haben sich weder auf Diabetes noch auf Darmkrankheiten spezialisiert.“ Ein Spezialisten-Team von zwei Ärzten, sechs qualifizierten Pflegern- und Ernährungsberatern soll die Patienten nun „viel optimaler und erstklassiger behandeln“, so Arnold. Für Patienten mit hormonellen Störungen an Eierstöcken, der Hirnanhangdrüse oder den Nebennieren wurde ein interdisziplinärer Arbeitskreis geschaffen. Dort soll das Tagesklinik-Team mit anderen Bereichen wie der Frauenklinik, der Strahlentherapie oder der Neurochirurgie eng zusammen arbeiten. „Ein komplexes Krankheitsbild braucht dieses fachliche know-how“, erklärt Direktor Arnold. Diabetikern soll der Tagesaufenthalt zu einer optimalen Insulineinstellung verhelfen. „Die Leute sollen sich hier wie im Alltag bewegen und nicht im Bett liegen bleiben“, so Arnold.

Sogenannte „Stehaufpatienten“ sind das neue Klientel, „die nicht auf der Bettkante sitzen und warten, daß etwas passiert“, erklärt der Klinikdirektor. „Diese Personengruppe haben wir bisher Tag und Nacht, d.h. vollstationär behandelt“, erklärt Verwaltungsdirektor Walter Bremermann das neue Krankenhauskonzept, „und mit diesem Angebot kommen wir natürlich vor allem unseren Patienten entgegen.“ Die nämlich hätten eine Tagesklinik schon lange gefordert, weiß der Direktor, und Birgit Kaltz von der Selbsthilfegruppe der chronisch Verdauungserkrankten (DCCV) gibt ihm Recht. „Von der Darmkrankheit Morbus Crohn und Colitis ulcerosa sind viele junge Menschen betroffen. Sie bekommen einen psychischen Knacks, wenn sie bei mehreren Schüben im Jahr immer wieder länger im Krankenhaus bleiben müssen.“ Nun werden sie vom Hausarzt im akuten Fall in die Tagesklinik überwiesen, „Wir wollen aber kein Ersatz, sondern Partner der Hausärzte sein“, erklärt Verwaltungsdirektor Bremermann. Nur drei bis sieben Tage sollen die Patienten bleiben: Für das Krankenhaus natürlich ein enormer Kosteneffekt. „Wir können natürlich viel mehr Patienten in weniger Betten betreuen“, bestätigt Bremermann.

„Umbruch“ nennt Verwaltungsdirektor Bremermann das, was in seiner Klinik seit Jahren passiert – und woran Gesundheitsminister Horst Seehofer nicht ganz unbeteiligt ist. Schließlich habe der den Krankenhäusern mit seinem Gesundheitsstrukturgesetz und dem neuen Krankenhausfinanzierungskonzept ordentlich Druck gemacht. „Wir müssen jetzt mit weniger Geld und gedeckelten Finanzen bessere Leistungen bringen“, stöhnt der Direktor. Und das Krankenhaus strenge sich mächtig an auf seinem Weg zum Gesundheitszentrum – „mit möglichst wenig vollstationärer Behandlung“. In den letzten zwei Jahren hat Bremermann schon 265 Betten in allen Stationen gestrichen, „das steht bei uns auf der Tagesordnung.“ Neben der neuen Tagesklinik hat das ZKH vor zwei Jahren eine Tagesstation für Blut- und Krebskranke auf den Weg gebracht – und gute Erfahrungen gemacht.

„Wir haben in der letzten Zeit viel gelernt“, gibt Verwaltungsdirektor Bremermann offen zu, „und bieten jetzt dichtere Qualität als vorher an.“ Daß das Krankenhaus mit Effizienz auch Kosten spart, „ist den Betroffenen im Grunde egal. „Wir wollen nur das beste Angebot“, erklärt Birgit Kaltz von der Selbsthilfegruppe. Das Zentralkrankenhaus will „auf dem Bremer Krankenhausmarkt konkurrenzfähig sein“, erklärt Verwaltungsdirektor Bremermann – und schon jetzt haben sich 40 Interessenten für die Tagesklinik angemeldet. Ein Jahr soll das Pilotprojekt laufen – und das kostenneutral, zum gleichen vollstationären Pflegesatz. Jetzt läuft sich das Ärzte- und Pflegeteam schon mal auf den leeren Fluren warm – bis zum ersten Ansturm im November.

Katja Ubben