Sozialkontrolle der Bürger

■ Ortsbeirat will Kriminelle auffangen, bevor das soziale Netz reißt / Präventionsräte sollen Kriminalität senken

Die wenigen Schritte von ihrem Arbeitsplatz in der Stadtbibliothek Huchting zur Straßenbahn bewältigt Heidemarie Ehlers selten zu Fuß. „Da rufe ich mir lieber ein Taxi.“ Jugendbanden, die sich im Schatten der mickrigen Straßenbeleuchtung den Abend vertreiben, beängstigen auch die Bewohner des benachbarten Altersheims: Selbst der tägliche Einkauf findet hier per Seniorenbus statt.

Doch Huchting soll begehbarer, seine Bewohner sicherer werden. Einstimmig beschloß der Ortsbeirat am Montagabend die Einrichtung eines Kriminalpräventionsrats. Moderne Kriminalvorbeugung müsse auf einem „vernetzten Konzept“ aufbauen, hatte zuvor Kriminalrat Michael Steines erläutert. Die Polizei alleine sei keine Antwort auf den alarmierenden Anstieg an Delikten. Beispiel Jugendkriminalität: „Wir müssen endlich den unsinnigen Streit beenden, ob Polizei, Sozialarbeiter oder Jugendgerichtshelfer das Problem lösen können – alle können etwas beisteuern, wenn die Rollen abgesprochen sind.“ In dem Präventionsrat sollten öffentliche Institutionen, Sozial- und VereinsarbeiterInnen, OrtspolitikerInnen und „kundige BürgerInnen“ sitzen.

Das neue Gremium wird einerseits mit den BürgerInnen im Sinne einer besseren Nachbarschaft zusammenarbeiten; andererseits mit den OrtspolitikerInnen, denen konkrete Projekte vorgeschlagen werden sollen. Damit, so hieß es, gehe man allemal über das übliche „Kneipen-Debattier-Niveau“ hinaus, von dem ein Besucher am Montag orakelt hatte.

Die Präventionsräte sollten zuerst die konkreten Probleme im Stadtteil analysieren, schlug Kriminalrat Steines vor. Später könnten dann bestehende Kontakte der Kirchengemeinden, Vereine, Sozialarbeiter und Nachbarn genutzt werden, um potentielle Straftäter ins Leben des Stadtteils einzugliedern. Dafür bestehen bereits gute Vorraussetzungen: Der Huchtinger „Stammtisch“ organisiert seit 15 Jahren die Arbeit von 22 örtlichen Vereinen - kürzlich stieß man auch hier auf das Thema Kriminalität. Jetzt will man das ausgebrannte Lokal „Amsterdam“ zum neuen Jugendtreffpunkt ausbauen. „Der Präventionsrat soll diese Aktivitäten koordinieren“, sagte Steines.

Das Modell Präventionsrat liegt seit drei Jahren auf den Bremer Behördentischen, doch KritikerInnen haben länger dagegen argumentiert als etwa in Niedersachsen, wo solche Räte schon arbeiten. Bürgerbespitzelung, Verstoß gegen Privatsphäre und Datenschutz lauteten die Einwände. Keinesfalls wolle die Polizei so durch die Hintertür den Überwachungsstaat einführen, versicherte Kriminalhauptkommisar Dirk Fasse. „Wir wollen die Sozialkontrolle wieder zurück an den Bürger geben, die Polizei unterstützt dann nur noch.“ In Bremen sollen BürgerInnen in Horn-Lehe, Hemelingen, Neustadt und Vahr die Kriminalität bekämpfen. ahm