Stahl über Humboldthafen

■ Nach dem Streit um die neue Stahlbrücke hat sich die Bahn AG für die moderne Konstruktion entschieden. Die Stahlbrücke wird aber 10 Millionen Mark teurer als der Betonentwurf

Die Intercity-Züge in Ost-West- Richtung werden über den Humboldthafen auf der filigranen Stahlbrücke von Jörg Schlaich und nicht über massigen Beton rumpeln. Nach dem Gezänk zwischen der Deutschen Bahn AG sowie der Verkehrsverwaltung und zahlreichen Architekten hat die Bahn kürzlich entscheiden, daß die Brücke doch nach dem ursprünglichen Entwurf des Stuttgarter Ingenieurs realisiert wird. Dieser hatte vorgeschlagen, eine schlanke Trasse im Anschluß an den gläsernen Lehrter Zentralbahnhof zu bauen. Senatsbaudirektorin Barbara Jakubeit hatte sich über die Bahn-Entscheidung erfreut gezeigt. Damit sei es gelungen, an die ingenieurtechnischen Brückenbauten anzuknüpfen.

Die 60 Millionen Mark teure Brücke garantiert eine möglichst freie Durchsicht zum Humboldthafen. KritikerInnen, darunter Eva-Maria Höper, Leiterin der Architektursammlung in der Berlinischen Galerie, hatten eingewandt, daß die Betonkonstruktion das Umfeld „verschandelten“ und die fetten Betonpfeiler wie „Panzersperren am Humboldthafen“ wirken würden. Besonders monierte Höper die dicken Sockel, die nicht zum Bahnhofsentwurf paßten. Die Vorstellungen der Bahn bedeuteten einen „Schlag gegen die Bemühungen um gute Architektur in der Hauptstadt“.

Die Bahn hatte sich für die Betonbrücke stark gemacht, weil diese rund 10 Millionen Mark billiger als die Stahlkonstruktion ist. Die Mehrkosten will die Bahn jetzt tragen. Allerdings sei an den Beschluß die Bedingung geknüpft, so Bahn-Projektleiter Jürgen Willms, daß die Sicht auf das Verkehrsbauwerk nicht durch zusätzliche Bauten verstellt würde.

Die Bahn, erklärte Willms, sei verpflichtet gewesen, die verschiedenen Brückenvarianten auf ihre Kosten zu prüfen. Das schreibe die Haushaltsordnung der Eisenbahner vor. Andererseits wolle sich die Bahn darum bemühen, stadtverträglich zu planen.

Bei der strittigen Frage der Bahnbrücke über die Spree am Bahnhof Friedrichstraße setzt die Bahn nun nicht mehr auf Abriß, sondern geht erst einmal vom Erhalt der Konstruktion aus. Ursprünglich war vorgesehen, die alte Brücke mit der Eisenbahntrasse abzutragen. Laut einem Gutachten wird es aber dennoch nötig sein, die alte Brücke langfristig durch eine neue zu ersetzen. Bei einer Neuplanung will die Deutsche Bahn AG darüber hinaus nicht mehr eine Rekonstruktion der Eisenbrücke. Vielmehr soll die neue Konstruktion modern gebaut werden, auch um klar zu zeigen, daß der Viadukt einen geschichtlichen Prozeß durchläuft. Rolf Lautenschläger