Goliath siegt doch über David

■ Der in Deutschland einzigartige Informationsdienst Bürgerrechte & Polizei/CILIP steht jetzt vor dem Aus

Berlin (taz) – Die Nummer 55 wird noch erscheinen. Danach ist aller Voraussicht nach Schluß mit Deutschlands einzigartigem Informationsdienst Bürgerrechte & Polizei/CILIP. Seit 1978 hat der Berliner Verein „Institut für Bürgerrechte & öffentliche Sicherheit“ dreimal im Jahr einhundert Seiten mit Themen rund um die Innere Sicherheit herausgegeben. Ob Bürgerinitiativen, Bundeskriminalamt oder Datenschutzbeauftragte, Betroffene, Beobachter und Akteure, sie alle schmökern gleichermaßen in den Beiträgen über „Civil Liberties and Police Development“ (CILIP). Die Palette reicht von der Sicherheits- und Polizeipolitik der Parteien, dem staatlichen Gewaltmonopol, dem Schußwaffengebrauch bei der Polizei, über Verfassungsschutzskandale und Akteneinsicht.

Wenn sich kein Sponsor findet, wird im November das letzte Heft des Informationsdienstes erscheinen. Es war einst als „kleiner David mit nur einer kleinen Schleuder öffentlicher Informationen“ gegen den „riesigen Goliath der etablierten Polizei und der Geheimdienste“ angetreten, wie es in der Nullnummer heißt. Bereits seit Ende 1994 arbeitet CILIP, das am Anfang von der Berghof-Stiftung für Konfliktforschung finanziert wurde, mit angezogener Handbremse. Damals stellte der Zigaretten-Erbe Jan Philipp Reemtsma nach acht Jahren seine Unterstützungsgelder ein. Einsparungen und Entlassungen hieß die bittere Devise. Doch Chefredakteur und Herausgeber Otto Diederichs hegt keinen Groll, daß sich Reemtsma zurückgezogen hat. „Er hat zu dem Projekt beigetragen“, sagt er. Sein ursprüngliches Engagement sei auf fünf Jahre angelegt gewesen. Zwischen 1986 und 1991 spendete er drei Millionen Mark und in den nächsten drei Jahren noch einmal je 100.000 Mark.

Die letzten zwei Jahre hat der Förderverein CILIP dem Info- Dienst unter die Arme gegriffen. Einzelaufträge wie Gutachten für die Grünen oder auch schon mal für die Gewerkschaft der Polizei in Hessen, eine sparsame Haushaltsführung, Entlassungen trugen zum Überleben bei. Doch die Personalkosten, „der Knackpunkt“, so Diederichs, würden nirgendwo aufgefangen. „Nun ist die Rechnerei mit dem spitzen Bleistift vorbei“, bilanziert der Herausgeber. „Die Kasse ist leer.“ Wenn kein „kleines Wunder“ geschieht, befürchtet Diederichs am 31.12. das Aus.

Dann könnte sich der Chefredakteur nur noch wehmütig an die Hochzeiten erinnern. Antiatomkraftbewegung, Friedensbewegung und Anfang der 80er Jahre die „Sicherheits“-Gesetze. Damals lag die verkaufte Auflage bei etwa 2.000. Jetzt gibt es noch etwa 700 Abonnenten. Sowohl private Leser als auch Bibliotheken oder das Bundeskriminalamt sind CILIP untreu geworfen. Der „tiefe Griff bis unten in die Tasche“ durch den Finanzminister und der „Einkaufsstopp“ bei öffentlichen Einrichtungen seien Schuld. „Es mangelt nicht an Problemen“, so Diederichs, „sondern am Geld.“ Barbara Bollwahn