Risse im Beton

■ Kohls Botschaft an die CDU: Gegen Rot-Grün

Für Helmut Kohl stand eine Erkenntnis am Schluß, die sich so gar nicht durch die Diskussion des Parteitages begründen ließ: Die Lagertheorie des Heiner Geißler habe sich bewahrheitet. Schwarz-Gelb stehe versus Rot-Grün plus PDS. Das sollte Ordnung schaffen, wo Orientierung gefragt war, das sollte Zuversicht geben, wo die Übersicht verlorenging. Das Lager steht, das war Kohls Botschaft an die Partei.

Ortung des Gegners plus Kohl – das ist der kleinste gemeinsame Nenner, auf dem sich die CDU derzeit bewegt. Und sie bewegt sich heftig. Jahrelang spiegelte sich die Partei im Erfolg der Einheit. Nun nimmt sie unversehens wahr, daß es in der Berliner Republik ungemütlich geworden ist. Die FDP hat in rücksichtsloser Deregulierung und Umverteilung den Königsweg zu bescheidenem Erfolg gefunden. Die CDU geht, nachdem sie die erste Hälfte hat nutzlos verstreichen lassen, in der zweiten Hälfte der Legislaturperiode ein ganzes Bündel von grundlegenden Reformen an. Das bringt Klientelismus und Verteilungskämpfe mit sich und sorgt für Unruhe im Lager. So befindet sich die CDU mittlerweile in der gleichen Situation, die sie seit längerem bei der SPD mitleidig belächelt. Auch sie hat ihre Betriebsräte und ihre Modernisierer. Und die CDU wird über ihr Reformwerk mit der SPD verhandeln müssen. Keine gute Zeit für eine Partei, deren Spektrum breiter ist als das der SPD und deren Homogenität sich nicht über ein Programm definiert. Das Reformwerk wurde zu spät begonnen, seine Vollendung, so es dazu kommt, wird in den Wahlkampf fallen. Keine gute Zeit für eindeutige Positionen.

Die Mitte ist umkämpft, SPD und CDU werden sich auf der Suche nach schlüssigen Konzepten angleichen. Die Differenz in der Nähe zu formulieren, das wird wahlentscheidend sein.

In dieser schwierigen Lage zentrieren sich in der CDU die Erwartungen auf den Kanzler. Trotz aller Kritik am Zustand der Koalition ist Helmut Kohl deshalb sakrosankt. Diese Rolle kann er jedoch nur spielen, wenn er in der parteiinternen Auseinandersetzung nicht zu früh und nicht zu eindeutig Partei ergreift. Beschränkt er sich nur aufs Moderieren, droht den Reformen Stagnation. Bislang hat sich Kohl auf Schäubles Management verlassen. Doch wenn der versagt, wird es auch für den Kanzler prekär. Dieter Rulff