Geschmäcklerisches en passant

Wiglaf Droste ist wieder da, der alte Schelm, der unermüdlich und voll bitterem Scherz der Deutschen tiefste Verfehlungen anklagt: Lichterketten, Bioläden, behaarte Frauenbeine, Diskutieren auf Neil-Young-Konzerten. Wir trafen den schwermütigen Satiriker vor dem Hamburger Hauptbahnhof.

taz: Bist du ein Misanthrop?

Wiglaf Droste: Überhaupt nicht. Ich trenne da aber auch Privates und Öffentliches. Es gibt ja viele Leute, die sich eine Position in der Gesellschaft erkämpft haben und dann plötzlich behaupten, weil das möglich ist, wäre die Gesellschaft gut. So eine Haltung ist natürlich Quatsch und hat überhaupt keinen Glamour. Notwendig ist eine lässige Selbstverständlichkeit.

In der Kritik führst du gerne den Rundumschlag. Gibt es keine positive Positionsbestimmung?

Es gibt die Antwort von Adorno auf die Frage, wo denn das Positive bleibt – „Ja, wo bleibt es denn?“ Ich bin doch nicht dafür da, die Welt schönzuschwatzen. Es gibt diesen verlogenen Begriff der solidarischen Kritik, sowas geht natürlich nicht. Allerdings gibt es immerhin noch Unterschiede zwischen Antje Vollmer und Manfred Kanther. Die eine lungert auf dem Schlesiertreffen rum und der andere schiebt Kurden ab.

Aber am meisten Spaß macht es dir, Linken ans Bein zu pinkeln.

Ich habe nun wirklich unzählige Kommentare über Manfred Kanther in der taz geschrieben, und der Haß auf die rechte Szene ist natürlich unvergleichlich viel größer als der auf irgendwelche Trottel, die glauben, gesunde Ernährung hätte irgendwas mit politischem Bewußtsein zu tun. Es geht überhaupt nicht um Polemik, es geht nur um Beschreibung dessen, was ist.

Auf deiner neuen Platte steht: „Humor ist Notwehr.“

Humor ist eine Haltung zur Welt. Es ist die Weigerung, die Zumutungen der Verhältnisse als wahr und unabänderlich anzuerkennen. Das ist aber schwer zu vermitteln in einem Land, wo es heißt „Lachen ist gesund“ oder „Spaß muß sein“ oder „Da hört der Spaß auf“.

Hast du ein Gefühl dafür, wo der Spaß aufhört? Menschenwürde?

(Stöhnt) Da benehmen sich Menschen unendlich peinlich, und ich beschreibe das, und dann kommen sie mir mit der Menschenwürde.

Auf der neuen Platte ziehst du über behaarte Frauenbeine her.

Ja, gut, das ist so eine geschmäcklerische Bemerkung en passant... Davon abgesehen kann man das auch nur in Deutschland sagen, weil es nur hier Frauen gibt, die sich ihre Beine nicht rasieren. Ich glaube, ich möchte mal versuchen, für längere Zeit das Land zu verlassen. Mal sehen, ob man die Abwesenheit von Unsinn wirklich genießen kann oder – das wäre bitter – ob man den Quatsch aus irgendwelchen perversen Gründen braucht. Fragen: Holger in't Veld

Lesung: Sa, 26. Oktober, 23 Uhr, Kammerspiele