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Sozialdemokraten am Bettelstab

■ Unwirtlichkeitsdebatte in der Bürgerschaft: SPD muß sich von CDU loben lassen

Die Senatsbänke waren voll besetzt, die Zuschauer- und Pressetribüne platzten aus allen Nähten: Die Bürgerschaft führte gestern die mit Spannung erwartete Debatte zu den umstrittenen „Maßnahmen gegen die drohende Unwirtlichkeit der Stadt“. Der Bürgermeister spreche mit der von ihm initiierten Verschärfung der Gesetze gegen Bettler „uns aus dem Herzen“, lobte CDUler Heino Vahldieck. Dessen Fraktionschef Ole von Beust hatte gar „Mitleid“ mit dem Senat und wollte den Bürgermeister vor seinen Kritikern „in Schutz“ nehmen.

Doch nicht allein die CDU zeigte sich begeistert von dem gemeinsamen Thema für eine große Koalition. Auch der kleine Regierungspartner Statt Partei bekundete Solidarität mit Senatschef Henning Voscherau (SPD). Das sei ja „eine Treibjagd“, geradezu eine „Hexenverfolgung“ gegen den Bürgermeister, ereiferte sich Gruppen-Chef Achim Reichert. Schrecklich sei die „entschieden überzogene Liberalität“, die in der Kritik zum Ausdruck käme.

Der Senat selbst hatte schon vorgestern abgesprochen, daß Sozialsenatorin Helgrit Fischer-Menzel zum Thema sprechen sollte. So war es denn nicht überraschend, daß Voscherau schwieg und in aufgesetzter Geschäftigkeit Akten abzeichnete. Zwar wiederholte Fischer-Menzel gestern ihre heftige Kritik an der Bettler-Drucksache („verheerende Stoßrichtung“) nicht. Sie machte jedoch klar, daß Hamburg bereits eine attraktive Stadt sei und nicht erst durch die Vertreibung von Bettlern dazu gemacht werden müsse.

Auch der innenpolitische Sprecher der SPD, Holger Christier, rügte, daß Hundekot und Bettler „nicht unter eine Überschrift“ gehören. Um sich als Genossen nicht gegenseitig anzugreifen, polterte SPD-Fraktionschefin und Voscherau-Vertraute Elisabeth Kiausch stellvertretend in Richtung GAL, die das Bettler-Papier als „schamlos“ bezeichnet hatte. Das sei eine „bösartige Unterstellung“ und „eigentlich gemein“.

Schlußendlich, erinnerte die GAL, sei der volle Titel des Buches von Alexander Mitscherlich, von dem die Innenbehörde die Überschrift für ihr Papier klaute: „Die Unwirtlichkeit unserer Städte. Anstiftung zum Unfrieden“.

Silke Mertins

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