Hübsches Tattoo!

Zwei Nachbarinnen auf dem Weg ins Verbrechen: „Bound – Gefesselt“, ein Thriller mit Doppelaxt  ■ Von Gudrun Holz

Hauchdünne Wände zwischen zwei Apartments in Chicago spielen eine entscheidende Rolle im Debütfilm der Regie-Brüder Andy und Larry Wachowski. Zumal wenn sie wie in „Bound – Gefesselt“ akribisch und mit Lokalkolorit nachgestylt sind, um Interieur und den fast ausschließlichen Schauplatz eines Thrillers abzugeben. Violet (Jeniffer Tilly, „Bullets over Broadway“), vorzugsweise halbbekleidet in schwarzen Mohairleibchen und mit einem bestrickenden Lispeln gesegnet, wohnt hier als Mafiosi-Gespielin Tür an Tür mit Corky (Gina Gershon, jüngst als strippende Diva in Verhoevens „Showgirls“), einer eher frei umherschweifenden Ex- Strafgefangenen. Erzählt wird in traditioneller Rückblendenmanier die Geschichte dieser beiden ungleichen Nachbarinnen, und warum sie schließlich „gefesselt“ am Ort eines brutalen und blutreichen Crime-Kammerspiels schmachten müssen.

Als Violet eines Tages mit zwei Tassen Kaffee (einer schwarz, einer mit Milch und Zucker) in Händen und sich selbst auf zartem Schuhwerk balancierend in Corkies spartanischem Heim aufläuft, hängt diese gerade mit beiden Händen in irgend einem unappetitlichen Abflußrohr. Nach erstem Austausch von Höflichkeiten wird aus dem Flirt an der Wohnungstür die erste von zwei rasanten Sex- Szenen des Films, wofür die Wachowskis die amerikanische Erotikfachfrau Susie Bright als „technische Beraterin“ gewannen. „Oh, was für ein hübsches Tattoo, eine Doppelaxt – ich weiß, was das bedeutet, hätten Sie das gedacht?“

Eine Romanze beginnt, die sich ganz schnell zum Komplott um blutige Geldscheine – die buchstäblich zur großen Wäsche in Violets Designerwohnung auf der Leine hängen – wandelt.

Im Ambiente des vorzugsweise in gedämpften (Blut-)Rottönen, Schwarz- , Ocker- und Grünschattierungen gehaltenen Sets bleibt die Kamera nah an den Figuren; mindestens auf Armlänge, wenn nicht in Nahaufnahmen, werden deren Regungen und Verstellungen verzeichnet.

Denn schließlich geht es in diesem Film um Verbrechen und Vertrauen, und die beiden Frauen planen einen Coup, um Violets Mafia- Boyfriend auszubooten. Corky, die Spröde in Feinrippunterhemden und Lederjacke, sinnierend: „So was zu planen, das ist wie Sex – zwei Leute in einem Raum, die Vorbereitung, das Vorspiel...“

Der Reiz der beiden Frauenfiguren liegt weniger darin, daß sie offenbar lesbisch sind, als in ihrer absichtlichen Nähe zum mysteriösen Rollentyp des Film noir. „Bound“ ist Genrekost voller hübscher Details, die die Handlung in Kombination mit einer bruchlosen Spannungslinie am Laufen halten. Wobei sich exzessive Gewaltdarstellungen wie ein veritables „Gartenscherenmassaker“ und eine blutrünstige Variante von „etwas unter den Teppich kehren“ recht krass in den Vordergrund drängen. Bleiben noch die Dialoge, die das Paar Corky/Violet ironisch vom formalen Mainstream-Charakter des Films trennen.

„Bound – Gefesselt“. Regie: Andy und Larry Wachowski. Mit Jeniffer Tilly, Gina Gershon, Joe Pantoliano, USA 1996