Prozeß abgeschmettert

■ Polens Ex-Staatschef Jaruzelski muß wegen Kriegsrecht nicht vor Gericht

Warschau (taz) – Wojciech Jaruzelski, der frühere Staats- und Parteichef Polens, muß sich nicht vor einem Staatstribunal verantworten. Die Verhängung des Kriegsrechts in Polen am 13. Dezember 1981 bleibt nicht nur für den General, sondern auch für den damaligen Innenminister Czeslaw Kiszczak sowie weitere 16 ehemalige Staats- und Parteifunktionäre folgenlos.

Dies entschieden gestern die Abgeordneten des Sejm. Mit einer Mehrheit von 211 Stimmen wies die regierende Koalition aus dem „Bündnis der demokratischen Linken“ (SLD) und der „Bauernpartei“ (PSL) den Antrag der oppositionellen „Konföderation Unabhängiges Polen“ (KPN) zurück. 146 Parlamentarier stimmten für einen Prozeß, der die Hintergründe der Verhängung des Kriegsrechts hätte aufklären sollen. 60 Abgeordnete enthielten sich.

Am 13. Dezember 1981 waren Tausende von Intellektuellen und in der Gewerkschaft Solidarność organisierte Arbeiter verhaftet und interniert worden. Panzer fuhren auf. Das Militär knüppelte die Streikenden nieder, in Oberschlesien fielen Schüsse, acht Bergleute kamen ums Leben. Die Medien mußten sich einer verschärften Zensur unterwerfen. Solidarność wurde verboten.

Angeblich, so begründete Jaruzelski in seiner berühmt-berüchtigten Fernsehansprache vom 13. Dezember 1981 die Einführung des „Ausnahmezustandes“, stand der Einmarsch der Roten Armee unmittelbar bevor, da Polen vor Ausbruch eines Bürgerkriegs stehe. Jaruzelski konnte allerdings bislang nicht beweisen, daß er tatsächlich eine äußere Bedrohung abwenden wollte und nicht etwa den drohenden Machtverlust durch die immer erfolgreicher agierende Solidarność. Gabriele Lesser