Scientology spaltet Länderchefs

■ Auf dem Erfurter Treffen der Ministerpräsidenten steht die Sekte ganz oben auf der Tagesordnung. Ein abgestimmtes Vorgehen der Länder oder gar ein Verbot dürfte auch diesmal nicht zu erwarten sein

Berlin (taz) – Die Kampagne ist offensichtlich gut abgestimmt. Eineinhalb Wochen vor der heute beginnenden Konferenz der Ministerpräsidenten hatte die Scientology-Sekte prominente US-Schauspieler und Regisseure wie Dustin Hoffman und Oliver Stone als Unterzeichner eines offenen Briefes an Helmut Kohl gewonnen. Tenor des Schreibens: Die Organisation werde in der Bundesrepublik diskriminiert. In einer US-Anzeige verglich sich die Sekte mit den jüdischen Opfern der NS-Zeit.

Derzeit versucht Scientology, den Brief als Anzeigenserie auch in deutschen Zeitungen zu schalten. Medialer Aufmerksamkeit ist sich die Sekte wieder sicher. Erst am Dienstag verabschiedete der CDU-Bundesparteitag einen Antrag, mit dem künftig Scientologen vom öffentlichen Dienst ferngehalten werden sollen. Eine juristisch umstrittene Maßnahme, die auf der Sitzung der Länderchefs in Erfurt eine Rolle spielen könnte. Der Umgang mit Scientology steht ganz oben auf der umfangreichen Tagesordnung. Neben der Frage, ob die Scientologen möglicherweise nach dem Vereinsgesetz verboten werden könnten, soll auch über die Beobachtung durch die Landesämter für Verfassungsschutz beraten werden. Mit einer einheitlichen Linie wird jedoch kaum gerechnet. Selbst die Einrichtung einer länderübergreifenden Koordinationsstelle ist unklar. Zu unterschiedlich sind die juristischen Interpretationen: Ist die Sekte eine Organisation, die extremistische politische Ziele anstrebt, oder lediglich ein als Religionsgemeinschaft getarntes Wirtschaftsunternehmen?

Sowohl auf Bundes- wie auf Landesebene herrscht darüber seit langem Streit und Konfusion. Bundesinnenminister Manfred Kanther (CDU) ist seit über zwei Jahren im Besitz einer Vorlage der SPD-Bundestagsfraktion, in der die Prüfung eines Verbots gefordert wird. Beim Kampf gegen die Sektenanhänger gehen eine Reihe westdeutscher Länder voran: Unlängst forderte der nordrhein- westfälische Innenminister Franz- Josef Kniola (SPD) ein Verbot wie im Falle der kurdischen Arbeiterpartei PKK. In Bayern sollen ab November alle Beamten auf eine Scientology-Mitgliedschaft hin befragt werden; dort wird eine geheimdienstliche Beobachtung derzeit geprüft. Baden-Württemberg will gar ab Januar die Sekte mit nachrichtendienstlichen Mitteln durchleuchten lassen.

In Berlin wird heute der CDU- Innensenator Jörg Schönbohm im Parlament einen Bericht abgeben. Allgemein wird damit gerechnet, daß das Landesamt zunächst lediglich die Grundlagen für eine Überwachung prüfen soll. Die Berliner Sektenbeauftragte des Senats, Anne Rühle, warnt vor „Schnellschüssen“. Rechtlich müsse eine Überwachung, die ihrer Ansicht nach nur verdeckt erfolgreich sein könne, genau abgewogen werden. Man dürfe der Sekte nicht zu möglicherweise erfolgreichen Klagen verhelfen. Unabhängig von der Debatte über Beobachtung oder Verbot haben eine Reihe von Verbänden – etwa Industrie- und Handelskammern oder der Ring deutscher Makler – auf Scientology bereits reagiert. Sie legen ihren Mitgliedern Selbstverpflichtungen nahe, in denen sie erklären, weder der Sekte anzugehören noch nach ihren Methoden zu arbeiten. Indirekt soll der Sekte bei der kommerziellen Psychoberatung das Wasser abgegraben werden. Neben Hamburg berät derzeit auch eine Kleine Kommission des Bundesgesundheitsministeriums über eine Gesetzesinitiative, mit der Kunden vor Anbietern der sogenannten Kommerziellen Lebenshilfe geschützt werden sollen. Vorgeschlagen wird unter anderem ein Verbot, vorab Kursgebühren zu kassieren, die bei Psychokursen zum Teil mehrere tausend Mark betragen können. Außerdem sollen Seminar- und Kursanbieter verpflichtet werden, Inhalte, Ziele und sonstige Bedingungen des Kurses offenzulegen. Severin Weiland

Debatte Seite 14