Die Wahrheit in rechten Augen

Neonazi Thomas Wulff wegen Auschwitz-Leugnung verurteilt / Sein Verteidiger Jürgen Rieger kam ungestraft davon  ■ Von Stefanie Winter

Er sei nie leichtfertig damit umgegangen, das Gesetz zu brechen, sagte Thomas Wulff in seinem „letzten Wort“. Viele Gedanken habe er sich gemacht, was er schreiben könne und was nicht. Als verantwortlicher Redakteur des rechten Mitteilungsblattes „Index“ war ihm dennoch ein Text durchgerutscht, mit dessen Verbreitung er sich der Volksverhetzung schuldig gemacht hat. Das Amtsgerichtsurteil – sechs Monate Haft – wurde gestern vom Berufungsgericht weitgehend bestätigt, die Strafe jedoch zur Bewährung ausgesetzt.

Bis zu ihrem Verbot im Februar 1995 war Wulff Vorsitzender der „Nationalen Liste“ und für deren Sprachrohr „Index“ presserechtlich verantwortlich. Von einer „angeblichen Massenvernichtung von Juden“ war darin im Januar die Rede und von einer Wahrheit, die sich nicht ewig unterdrücken lasse.

Doch nach der Auffassung Wulffs und seines einschlägig bekannten Verteidigers Jürgen Rieger bedeute „angeblich“ keine Leugnung, sondern stehe einfach und wertfrei für etwas, das „angegeben“ wird. Riegers Auslegung des Begriffs und seinen Antrag auf ein semantisches Gutachten wiesen die Richter zurück, da sie „als Deutsche“ über genug eigene Sachkenntnis verfügten.

Diesen und weitere Beweisanträge hatte Rieger für den Fall gestellt, daß es keinen Freispruch geben sollte. Als unzulässig wurden die übrigen – darunter „Zeugenaussagen“ über das Leben in Auschwitz mit Theater, Sauna und großzügigen Freizeitregelungen – zurückgewiesen. In seinem eineinhalbstündigen Plädoyer hatte der Verteidiger dennoch Gelegenheit, einen Eindruck von dem zu liefern, was in rechten Augen mit „Wahrheit“ gemeint sein könnte.

Der Einsatz von Zyklon B habe wissenschaftlich nicht festgestellt werden können, führte er aus, auf Luftbildern seien Gebäude oder notwendige Vorrichtungen nicht zu erkennen, ein französischer Historiker nenne bei seiner Aufzählung der Todesursachen in Auschwitz das Gas an letzter Stelle. Und demnächst werde es vermutlich überhaupt nicht mehr erwähnt.

An geistige Körperverletzung grenzten diese Ausführungen, meinte der Staatsanwalt. Da jedoch ein „Äußerungsdelikt“ angeklagt sei, halte er sechs Monate Haft für ausreichend. Das Gericht setzte die Strafe auf vier Jahre zur Bewährung aus, da ein für die Vollstreckung erforderlicher besonders schwerer Fall nicht vorliege. Auch die Bewährungsstrafe werde genügend Druck auf Wulff ausüben, in Zukunft „zurückhaltender“ zu sein.

Der hatte wiederum mehrfach beteuert, in dem Text nichts Strafbares erkennen zu können und daß eine Verurteilung daran nichts ändere. Vor allem hoffe er auf die Aufhebung des Verbots der „Nationalen Liste“. „Dann würde meine Kraft wieder ganz und gar der Partei zur Verfügung stehen.“