■ Urdrüs wahre Kolumne
: Die gute deutsche Miele

So sehr es auch rechtens sein mag, daß DVU und Nationalkonservative auf Geheiß des Bremer Staatsgerichtshofs über 300.000 Mark an zuviel kassierter Staatsknete zurückzahlen müssen, so sehr empört das kleinliche Kritteln im Detail. Was soll die Häme über die statt eines überflüssigen Reißwolfs gekaufte Fraktionswaschmaschine? Die sozial deklassierten Menschlein aus dem Hinterhof mit den vielen unwillkürlichen Abgängen direkt in die Hose: Wäre dies ohne die gute deutsche Miele den Parlamentskollegen zumutbar gewesen? Und hätte sich auch nur irgendeine Unionschristin vom Schlage der scheinheiligen Elisabeth erbarmt, die stets aprilfrischen Blusen von Mutti Blohm zu waschen und zu stärken? Ferner ist mit der Rückzahlungsforderung unbedingt zu verrechnen der Sozialhilfegrundbetrag, der Teilen der Fraktion sonst unzweifelhaft zugeflossen wäre: Auch Sippe Doitschmann verdient hier faire Behandlung mit Mitleid und Augenmaß!

Selbst in der taz sitzen offenbar Agenten der ARD-Programmkommission Flachmann & Co und entstellten in der vergangenen Woche meinen flammenden Appell für die Kulturhoheit der Augsburger Puppenkiste durch sinnwidriges Weglassen des entscheidenden Absatzes, weshalb der gesamte Passus zur Aufstachelung des legitimen Hasses hier erneut vorgetragen sei:

Wer einer kulturellen Barbarei ohnegleichen beiwohnen möchte, der schalte am Wochenende im Fernsehen mal bei den Öffentlich-Rechtlichen den „Käpt'n Blaubär-Club“ ein, wo jetzt das Abnudeln von „Urmel aus dem Eis“ in Comic-Version begonnen hat. URMELI also, dieses liebenswerte Marionettchen aus der Augsburger Puppenkiste. Nicht mehr am Faden gezogen, sondern im Grafiklabor geklont mit der perversen Begründung, daß dies dem aktuellen Trend im Kinderzimmer entspräche.

Voll dagegen, Ihr Medienexperten: Das erbärmlichste Puppentheater selbst auf einer beliebigen Aktionsbühne irgendeines abgefuckten Weser-, Saale- oder Elbeparks mit dem entsprechenden Nachwuchs-Potential im Publikum würde mehr Beachtung finden als der Comic auf dem Großbildschirm daneben. Ihr Urmel-Kaputtmacher seid nicht nur mies, gewissenlos und hirnverschleimt, sondern auch noch böse böse! Weh Euch, wenn der Kasper kommt!

Bislang hielt ich den Hartmut Frensel von der DAG immer nur für einen Pseudo-Gewerkschaftler von relativ durchschnittlicher Ignoranz und Intriganz: Jetzt aber hören zu müssen, daß dieser vergleichsweise junge Mensch in schlechter Gesellschaft inzwischen so verdorben wurde, daß er gegen eine militarismuskritische Ausstellung in der Rathaushalle opponiert, erschüttert tief und zeigt in rabiater Offenheit, wozu Menschen in der sozialen Krise aus Angst um Zukunft und Arbeitsplatz gebracht werden können. JETZT ERST RECHT muß des Herrn Reemtsmas moralische Wanderschau zur alldeutschen Wehrmacht-Barbarei nach Bremen kommen. Wie sonst bringt man dieses ganze Geschmeiß von böhsen Onkelz dazu, endlich das Maul zu halten vom anständigen deutschen Soldaten inclusive deren Angehöriger der Waffen-SS: Alle alle in einen Sack und aber druff auf die Bajonett-Humanisten. Ohne pädagogische Hintergedanken...

Kommt der Marktmeister der niedersächsischen Kleinstadt zurück von der Bremer Freimarkteröffnung, eingeladen wohl über das Haus Haake Beck's und was weiß er dem Kolumnisten von diesem Tag als beeindruckenstes Erlebnis zu erzählen? „Also ein ganz netter Mensch, dieser Bürgermeister Scherf. Der drückt einem so herzlich die Hand, das spür ich heute noch! Toll, der Mann.“ Henning als Standortfaktor. „Rettet die Zärtlichkeit“.

Zum Freizi-Abbau in Bremen sei ein Verslein des Agitprop-Kollektivs der Arbeitersache München aus dem Jahre 1966 in Erinnerung gebracht: „Wenn uns wer das Freizi klaut / dem wird in die Freß gehaut / Jungs aus Belgrad / Mädel aus Waldtrudering / bilden eine Kampffront jetzt / u und die Schweine ahnen / neue Zeit anbricht.“ Panta Rei. Alles fließt und kommt mal wiederr, seht ihr die Schrift dort an der Wand? Ulrich Reineking