■ Vorschlag
: Im Caféhaus oder Wo schreiben? Das Literaturhaus gibt Antwort

„Jetzt habe ich meinen Schreibtisch genauer angeschaut und eingesehen, daß auf ihm nichts Gutes gemacht werden kann“, schrieb Franz Kafka in sein Tagebuch. Es liege zu vieles herum und bilde eine Unordnung ohne Gleichmäßigkeit.

Der vierte Teil der Marbacher Ausstellungsreihe „Vom Schreiben“ dokumentiert Schreiborte von Autoren, nachdem die ersten Ausstellungen von Romananfängen, Schreibgeräten und Dichtungsstimulanzien handelten. Meist sind es Schreibtische, und man sieht fast allen an, daß sie in jahrelanger Schreibbegleitung von den Dichtern so eingerichtet wurden, daß auf ihnen „Gutes“ gemacht werden kann. Arno Schmidt wird seinen Schreibtisch bereits als verzweifelnd ungeordnet empfunden haben, wenn auch nur eines seiner mikroskopischen Karteikärtchen von fremder Hand falsch eingeordnet wurde. Oder Canetti: vor ihm auf der Schreibfläche immer drei stramm geordnete, aufs schärfste gespitzte Bleistiftreihen – links 21 Bleistifte, rechts 18 Bleistifte, in der Mitte 19. Und vor dem Schreibtisch, im Bücherregal, immer in des Dichters Blick: Grzimeks Tierleben in zwölf Bänden.

Solches käme Botho Strauß nicht ins Haus. Strauß gehört, ebenso wie Thomas Bernhard, zu den Dichtern, die in kargen Hallen hausen und ihr Ordnungssystem im Kopfe tragen. Bernhard (von dem es allerdings unzählige Fotografien der Art „Bernhard im Café Bräunerhof, zeitunglesend“ gibt) schrieb in seinem Roman „Wittgensteins Neffe“: „Die Literatenkaffeehäuser haben eine tödliche Wirkung auf den Schriftsteller, das ist die Wahrheit.“

Alfred Polgar, einer der klassischen Wiener Kaffeehausdichter, meinte dagegen, daß die Stille zu Hause eine „saugende Wirkung auf das Gehirn“ ausübe, der Lärm zu Hause etwas Persönlich-Feindseliges habe und daß man sich nur im Kaffeehaus „bei einiger Technik“ mitten im Lärm eine Zone der Stille schaffen könne. Eine Technik, die der Dichter Joseph Roth in Perfektion beherrschte, der sein gesamtes Werk in Cafés und Hotels geschrieben hat und 1929 an seinen Mäzen Stefan Zweig schrieb: „Das scheint mir gar nicht merkwürdig. Sondern merwürdig und sogar ,romantisch' kommt mir ein Haus vor, mit Bildern und so weiter.“ Volker Weidermann

Im Caféhaus oder Wo schreiben? Vom Schreiben IV. Literaturhaus. Fasanenstraße 23. Charlottenburg. Außer montags täglich von 11 bis 19 Uhr geöffnet. Noch bis 24. November. Eintritt frei.