Durch's Dröhnland
: Tränen aus Guinness

■ Die besten und schlechtesten, die wichtigsten und überflüssigsten Konzerte der kommenden Woche

Nun hat sich der ehemalige Schlachthofmitarbeiter Chris Bailey jahrelang so erfolgreich gegen das Punkerbe seiner Band gewehrt, daß man die Saints tatsächlich fast nur noch als müde Langeweiler erwartete und die letzten Hoffnungen ausschließlich in den ehemaligen Mitstreiter Ed Kuepper setzte. Und dann sowas: „The album was recorded late at night somewhere in 1996“ beginnen die Liner-Notes von „Howling“ und das ist nicht zuviel versprochen. Diese Platte ist das Roheste und Unbehauenste, mithin das Beste, was Bailey seit jener ersten legendären Saints- Platte mit „I'm Stranded“ abgeliefert hat. Es ist nicht mehr die Energie von 1977, aber immerhin der gelungene Versuch, nicht an Frühvergreisung zu sterben.

25. 10., 21 Uhr, Huxley's Jr. Cantina, Hasenheide 108

Der Gimmick bei T.E.V.O. besteht darin, daß die sieben Herrschaften aus Essen zwar Techno spielen, aber den auf echten Instrumenten. Zwar fehlen Synthies und Keyboards nicht, aber mit Didjeridoo, Blech, Staubsauger und reichlich Perkussion wird genau jener Groove imitiert, den man wahrscheinlich einfach mit dem Sampler bastelt. Fragt sich dann doch, was das soll.

25. 10., 22 Uhr, Eimer, Rosenthaler Straße 68

Ich scheiß auf deutsche Texte, um Die Sterne zu zitieren, ansonsten gibt es halt gute Musik und nicht so gute. Die Schröders hatten einen netten Moment mit ihrer Single „Laß uns schmutzig Liebe machen“, die wiederum nur bewies, daß Sex weiterhin sells, auch im Zeitalter von „Erotik-Magazinen“ auf allen Kanälen. Der Rest ist Dumpfbackenrock.

26. 10, 21 Uhr, Trash, Oranienstraße 40/41

Wo wir gerade beim Thema sind: Ian Astbury war ja nun mit seiner Combo The Cult jahrelang sowas wie der Papst der Dumpfbacken. Und das zu Recht, schließlich hat niemand mit solcher Überzeugung und ohne jede Ironie selbst die ausgelutschtesten Gitarrenriffs nochmal gebracht, als wären sie die eigenen. Und auch wenn Astbury sich mit der Auflösung von The Cult nun endgültig vom Ehepartner Billy Duffy getrennt hat, bleibt er sich selbst treu. Bei den Holy Barbarians werden weiter die Stimme geknödelt, die Stones zitiert, die Gitarren klassisch und schneidend gespielt und überhaupt darf Rock 'n' Roll hier noch Rock 'n' Roll sein.

27. 10., 21 Uhr, Knaack, Greifswalder Straße 224

Sanft und warm kommen Lighthouse Family daher und schmusen dich voll, daß Du mit dem Lippenstiftabwischen gar nicht hinterher kommst. Das ist kein Pop mehr, das ist nicht mal Sahne, das ist Creme Double, feist und fett.

28. 10., 20.30 Uhr, Loft, Nollendorfplatz

Für diese Woche der Beweis, daß die Apokalypse nicht mehr weit entfernt ist: Wer ins Kino geht, kennt die Mustard Seeds, denn deren Single „Quicksand“ sorgt für die Untermalung einer Jeans-Werbung. Auch auf Tour wird man gesponsort vom gleichen Schneider und die Platte erscheint bei der Firma eines bekannten Zigarettenherstellers. Die Band als Spielball der Werbeindustrie, da wird der knorrige Hardrock der vier Los Angelinos zur Nebensache.

30. 10., 21 Uhr, Trash

Low heißen nicht nur so, sie bringen dich auch genau dahin. So schnell warst du noch nie drunten, das sei versprochen. Wenn Mimi Parker und ihr Gatte Alan Sparhawk ansetzen, schmelzen Steine. Und Songstrukturen, denn von denen bleibt nur eine Ahnung übrig zwischen den dahingeworfenen Gitarren, dem getupften Schlagzeug und den verlorenen Stimmen. Nur selten werden die einsam umherschwebenden Töne zusammengefaßt zu einem Ausbruch, der aber immer noch vor Ruhe strotzt. In einem Kaff in Minnesota mit dem Namen Duluth entstehen die gar nicht süßlichen Lamentos des Ehepaars Parker/Sparhawk mit Zusatzbassisten. Ganz hermetisch, aber niemals klaustrophobisch suhlen sich da welche in der dunklen Seite ihrer Seele. Und fühlen sich wohl dabei.

30. 10., 21 Uhr, Knaack

Eigentlich wurde Der Riss als Künstlergruppe gegründet (Nur nebenbei: Was macht man eigentlich als Künstlergruppe so? Hält man sich die Palette? Wäscht man zusammen die Pinsel aus?), und auch wenn sie früh mit „musikalischen Experimenten“ begannen, hört man das immer noch. Hier steht das Konzept, bevor ein Ton gespielt wird, und so fehlt schlicht das Gefühl. Nimmt man die Kopfgeburt als solche an, kann sie aber durchaus ihren Reiz entwickeln, wenn Baßlinien quer laufen zum Schlagzeug, sich die Stimmen zum dünnen Singsang treffen, um „stinkende Kröten, schwärende Wölfe“ zu beklagen. Was dem Riss an Humor fehlt, haben Die Bundeskanzler und APC zuviel. Noch ein paar Totengräber, die sich um die allerletzten verwesten Reste des Funpunk streiten.

31. 10., 21 Uhr, Pfefferberg, Schönhauser Allee 176

Ebenfalls im Gute-Laune-Geschäft sind Whiskey Priests und das nun seit elf Jahren. Englischer Folkrock, daß einem ganz warm ums Herz wird und die Tränen schmecken dann nach dem Guinness, das man zuvor trinken mußte, als die Musik noch hoppelte wie verrückt.

31. 10., 20.30 Uhr, Loft Thomas Winkler