Mammuts sterben aus

■ Bei den Amateur-Titelkämpfen in Riesa wird Profitrainer Wolke vergebens nach einem Nachfolger für Weltmeister Maske fahnden

Frankfurt/Oder (taz) – In Riesa wird gerade geboxt. Deutsche Meisterschaften der Amateure: heute ist das Halbfinale, morgen das Finale. „Ich gehe hin“, hat Manfred Wolke in seinem Camp in Frankfurt gesagt, „kommst du mit, Axel?“ Natürlich kommt Axel Schulz mit, wenn der Trainer ihn fragt. Ist Ehrensache.

Was der Profitrainer bei den Amateuren sucht, ist klar: gute Boxer. Einige sind nach Olympia Profis geworden, Urkal bei Universum in Hamburg, Markus Beyer bei Sauerland-Promotion. Allerdings nicht bei Wolke in Frankfurt, sondern bei dem neuen, dem zweiten Ausbilder Ulrich Wegner in Köln.

Sauerland-Promotion geht in die Breite: Es gibt Köln, die Brüder May üben bei John Smith, doch wenn Henry Maske am 23. November in den Ruhestand getreten sein wird, wäre Wolke in Frankfurt mit dem dreifach in WM-Kämpfen unterlegenen Schwergewichtler Schulz allein dagestanden. Deshalb hat er sich dieser Tage den Berliner Schwergewichtler Rene Monse (28) ins „Wolke-Camp“ geholt. Das ist nun einer, der bei Olympia nichts gewonnen hat. Im Gegenteil: Geschmäht hat man ihn. „Weichei“ ist das Wort, das Wolke im Zusammenhang mit dem wenig aggressiven Monse auch zu Ohren gekommen ist. Nun treibt ihn „die Neugierde“ auszuloten, was es mit Monse auf sich habe. Vielleicht, so läßt er anklingen, hat man ihn ja auch nur nicht richtig trainiert.

Der Trainer von Amateur Monse war Uli Wegner. Das ist jener Experte, der schon vor einem dreiviertel Jahr dem Boxer mitteilte, „daß er mich nicht mit nach Köln nehmen möchte“. Dann wollte Monse nicht mehr, sagte nach dem Viertelfinalaus in Atlanta, er habe „die Schnauze voll“. Hatte er auch. Bis Wolke anrief. Mittlerweile organisiert er den Umzug an die Oder.

Was nun Wolke genau mit Monse vorhat? Zum einen: Wolke und Schulz allein, „das wäre auf die Dauer ein Problem“. Das sagt Henry Maske, und der muß es wissen. Er war, als alles anfing, mit Wolke zu zweit allein und „spürte nach sechs Monaten“ die ersten Probleme“ mit der intensiven Fürsorge des Trainers. Dann kam Schulz, die Fürsorge verteilte sich, der Rest ist Geschichte.

Jetzt geht Maske, aber für Wolke (53) gibt es keine Zeit nach dem Boxen. Schulz bleibt ihm, im Dezember soll er in Wien einen Kampf gewinnen. Auch wenn ihm sonst keiner sehr viel mehr zutraut, Wolke tut es. „Ich bin überzeugt“, sagt er, Axel packt es.“ Monse? Wolke möchte positiv denken, aber er redet auch davon, wie schwierig es werde, wenn man jemand nehme, „der nicht mal als Amateur spitze ist“. Monse ist im übrigen einer jener Boxer, die durch die DDR-Schule gegangen sind. Es handelt sich um eine „Epoche wie früher die der Mammuts“, sagt Wolke, „sie sterben aus“. Die Jüngeren hat er sich alle angekuckt: Es gibt keinen Box- Nachwuchs in Deutschland. Es gibt den derzeit verletzten Halbschwergewichtler Thomas Ulrich, der demnächst Profi werden will. Doch der ist ein Wegner-Schüler.

„Wir machen uns nichts vor“, sagt Wolke, „Wenn Henry weg ist, wird es schwierig.“ Einen wie ihn findet er nicht mehr. Das weiß er. In Riesa will er sich „umkucken und jeden, der 1,95 m ist, an die Leine legen“. Man braucht kein Prophet zu sein, um zu ahnen, daß er selbst mit diesem bescheidenen Anspruch niemanden mit nach Frankfurt bringen wird. Peter Unfried