Die zwölf Länder im südlichen Afrika wählen die EU zum Vorbild

■ Die Nachbarn profitieren wirtschaftlich von der Republik Südafrika, fühlen sich andererseits aber auch bedroht

Johannesburg (taz) – Die Botschaft für die Gäste aus aller Welt ist so positiv wie schon lange nicht mehr: Die wirtschaftlichen Aussichten für das südliche Afrika sind derzeit besser als in den letzten 30 Jahren. Zu diesem Schluß kommt der jüngste Bericht der Standard Chartered Bank, der bei einer zweitägigen Tagung in Simbabwes Hauptstadt Harare vorgelegt wurde, die gestern zu Ende ging. Die „Konferenz für Handel und Investitionen im südlichen Afrika“ war auf politischer Ebene hochkarätig besetzt. Die Präsidenten von Sambia, Botswana und Simbabwe sowie Südafrikas Vizepräsident Thabo Mbeki nahmen teil – und das nicht zufällig.

Den rund 200 Geschäftsleuten aus Europa, Nordamerika und Asien sollte gezeigt werden, daß sich die Region südlich des Äquators politisch stabilisiert und wirtschaftlich formiert – und somit zunehmend interessanter wird für ausländische Investoren. Nach Vorbild der EU und der Asean- Staaten will das südliche Afrika ein ernstzunehmender regionaler Wirtschaftsblock werden.

Das allerdings ist noch ein weiter Weg, zumal es immer wieder erhebliche Spannungen zwischen den zwölf Staaten der „Entwicklungsgemeinschaft Südliches Afrika“ (SADC) gibt. Ursprünglich diente der Zusammenschluß der Nachbarländer Südafrikas dazu, sich vom Apartheid-Staat wirtschaftlich unabhängig zu machen. Erst mit der Aufnahme der Kaprepublik vor zwei Jahren änderte sich die Zielsetzung grundlegend. Nur mit der Wirtschaftskraft Südafrikas wurde es überhaupt möglich, an einen regionalen Wirtschaftsblock zu denken.

Der Handel in der Region boomt seit zwei Jahren

Waren die letzten 30 Jahre vor allem durch Stagnation im Pro- Kopf-Einkommen und steigende Verschuldung geprägt, hat sich die Lage durch die Demokratisierung Südafrikas entscheidend verändert. Der Handel innerhalb von SADC hat sich binnen zwei Jahren auf ein Gesamtvolumen von 3 Milliarden US-Dollar verdoppelt. Allerdings beherrscht Südafrika die Region wirtschaftlich vollkommen. Seine Nachbarländer fürchten eine politische und wirtschaftliche Dominanz des Landes zu ihren Ungunsten. Zugleich aber wissen sie, daß die Kaprepublik die Zugmaschine für wirtschaftlichen Aufschwung und Entwicklung in der ganzen Region ist. Das Wirtschaftswachstum war dort im vergangenen Jahr höher als jemals seit Beginn der 80er Jahre. Rapide ansteigende Kriminalitätsraten lassen allerdings ausländische Investoren vor allem aus dem Mittelstand immer häufiger zögern.

Von rund 130 Millionen Menschen im südlichen Afrika leben rund 42 Millionen in Südafrika; dort werden auch 80 Prozent des Bruttosozialprodukts erwirtschaftet. Die Wirtschaftskraft von SADC insgesamt ist aber immer noch geringer als beispielsweise die von Norwegen. Die steigenden Handelszahlen ergeben sich vor allem aus den stark angewachsenen Exporten Südafrikas, das seine Wirtschaft andererseits immer noch durch sehr hohe Einfuhrzölle schützt. Zwischen Simbabwe und Südafrika kam es deshalb zu einem jahrelangen, erbitterten Streit über Einfuhrzölle in der Textilindustrie. Ein Großteil der simbabweschen Textilproduktion ist inzwischen vernichtet.

Sorge bereiten den Nachbarn auch Verhandlungen Südafrikas mit der EU über ein Freihandelsabkommen, das ihnen zunächst erhebliche Nachteile einbringen würde. Auch der deutsche Außenminister Klaus Kinkel mußte das auf einer Tagung der SADC mit der EU in der vergangenen Woche in Namibia einräumen. Möglich sei, den Nachbarstaaten zunächst über Ausgleichszahlungen zu helfen, beruhigte Kinkel.

Unrealistische Pläne über Freihandelszone

Erst Ende August hatten die SADC-Länder ihrerseits die Schaffung einer Freihandelszone binnen acht Jahren beschlossen. Viele Ökonomen halten das für ebenso unrealistisch wie eine geplante gemeinsame Währung. „Regionale Integration ist ein Prozeß, der Jahrzehnte dauert“, warnt etwa Tony Hawkins, Professor für Ökonomie in Harare. „Ich weiß nicht, wie das in so kurzer Zeit erreicht werden soll.“ Andere erinnern die Politiker daran, daß die Leitlinien der Wirtschaftspolitik grundlegend verändert werden müßten. Ehe man den Weg der „Asian Tigers“ gehen könne, müßten Handel und Industrie dereguliert, liberalisiert und stärker auf den Export hin orientiert werden. Kordula Doerfler