Debis feiert sich am Potsdamer Platz

In Berlin steigt morgen bei Debis/Daimler-Benz das Richtfest. Während zu Gospelklängen die Richtkrone hochgezogen wird, marschieren die Bauarbeiter durchs Brandenburger Tor  ■ Aus Berlin Rolf Lautenschläger

Kein Investor verkauft seine Bauprojekte medienbesessener als Debis/Daimler-Benz am Potsdamer Platz. Seit dem ersten Spatenstich im Oktober 1993 inszeniert der Konzern in regelmäßiger Folge für die Öffentlichkeit „Baustellenereignisse“, deren Hintersinn nur mehr die eigene Bedeutung der Drei-Milliarden-Mark-Investition steigern soll. Neben Rundgängen mit Ministern, Kunst- und Musikperformances mußten die Baugruben schon für Theaterstücke herhalten. Kräne wurden nachts in Lichtbänder getaucht. Und nichts war spektakulärer als im vergangenen Winter die Tauchaktion im eiskalten Grundwasser, in dem Froschmänner in 25 Meter Tiefe die Betonsohle für die 68.000 Quadratmeter große Bürostadt legten.

Zur Showtime stilisiert wird morgen auch das Richtfest für das Debis-Projekt. Doch das traditionelle Fest der Arbeiter mit Schnaps und Bier zum karnevalistischen Baustellen-Event à la Love-Parade aufgepeppt. Während am 25geschossigen Debis- Hochhaus der Richtkranz zum Gospelsong „Oh happy day“ hochgezogen wird, machen sich gleichzeitig rund 500 Bauarbeiter auf, um durch das Brandenburger Tor zu marschieren. „250 Musiker und 26 auf Hochglanz polierte Baufahrzeuge“, erklärt Debis-Geschäftsführer Jürgen Ahlbrecht, „vom kleinen Bagger bis zum mobilen Kran ziehen durch die Mitte Berlins“. Der einen Kilometer lange Konvoi der am Projekt beteiligten Baufirmen samt Fanfarenzügen, brasilianischen Tänzern und Cheerleadern „wird für ausgelassene Stimmung sorgen“. Eigens engagierte rheinische Bonbonwerfer sollen die Massen am Straßenrand zum Brodeln bringen.

Damit den 2.000 geladenen Gästen, darunter Bauminister Klaus Töpfer und der Regierende Bürgermeister Eberhard Diepgen, nicht die Demonstration der Stalinallee-Bauarbeiter durch das Brandenburger Tor am 17. Juni 1953 in den Sinn kommt, legt Debis noch einen drauf: Zur „Ode an die Freude“ aus Beethovens 9. Symphonie dirigiert Opernhaus-Chef Daniel Barenboim zwei Dutzend Kräne, deren Kranführer die Stahlriesen im Takt hin- und herschwenken lassen. Der „Tanz der Kräne“, so Ahlbrecht, bedeute „ein Dankeschön an die Geduld und das Verständnis der Berliner“, die unter dem Baustellenlärm und den Staubwolken zu leiden haben.

Doch der Rummel dient weniger den „lieben Berlinern“ als vielmehr der Eigenwerbung für das Marketing, das Projekt bei zukünftigen Büromietern unter Dampf zu halten. Denn das dreieckige Ensemble mit 340.000 Quadratmeter Bruttogeschoßfläche für 17 Blöcke und drei Hochhäuser, von denen zwei nun im Rohbau fertiggestellt sind, befindet sich in Konkurrenz mit anderen Büroanbietern, die in Berlin gleich mehrere hunderttausend Quadratmeter Fläche auf dem Markt bereithalten. „Wer will schon in die künstliche Debis- Stadt?“ fragte jüngst der Architektursoziologe Werner Sewing angesichts der beiden Rohbauten von Renzo Piano und Arata Isozaki. Die glatten rosa Fassaden am Isozaki-Bau und die engen Häuserschluchten neben dem Piano- Hochhaus seien selbst für Manager und deren Klientel abschreckend.

In der Tat hat es den Anschein, daß Debis sein Nutzungskonzept überprüft. Anstatt den „leeren Ort wieder mit Leben zu füllen“, wie Daimler-Benz-Vorstandsmitglied Manfred Gentz hofft, und unterschiedlichste Nutzungen sowie Architekturen zuzulassen, hält Debis jetzt Ausschau nach Großmietern. So sind die beiden südlichen Blöcke am Landwehrkanal als künftiger Sitz für das Bundesinnenministerium mit über 40.000 Quadratmeter Fläche im Gespräch.

Ebenfalls große Büro- und Geschäftshochhäuser der Architekten Hans Kollhoff und Renzo Piano entstehen direkt am Potsdamer Platz. Das Revue-Theater mit 1.700 Plätzen hinter der Staatsbibliothek soll der Musical-Tycoon Rolf Deyle bespielen. Kinos für 3.500 Zuschauer, Büros, Hotels, Appartements, Restaurants und Geschäfte suchen noch nach Mietern.

Daß Debis seine städtebauliche Linie – ein Remake der Parzellenstruktur am Potsdamer Platz aus Vorkriegstagen – verändern könnte und die angestrebte „Mischnutzung“ den Gesetzen des Marktes überläßt, fürchteten Debis-Kritiker bereits bei Baubeginn. Der Städtebau tappt in die Falle der Marktwirtschaft, nannte dies einmal der Architekt Philipp Oswald. Darüber wird wohl auch nicht der Bauarbeiter-Marsch am Samstag hinwegtäuschen können.