Berliner Ausverkauf

■ CDU und SPD zimmern den Etat mühsam zusammen

Die Ankündigung klang hochtrabend. Man habe, so erklärte ein Berliner Senatssprecher nach dem Ende der Etatberatungen, ein „Konzept gefunden“. Doch was gestern großspurig als ideales Gesamtpaket verkauft wurde, bemäntelt nur dürftig das Fiasko der Großen Koalition. Streng abgeschottet hatten sich CDU und SPD zur ersten Koalitionsrunde zurückgezogen, beim zweiten Anlauf gar 26 Stunden in Folge – als müßte die Aufgabe so erst recht symbolisch aufgewertet werden. Doch präsentiert wurde kein modellhafter Ausweg aus der desolaten Finanzkrise, wie sie ähnlich auch andere Städte der Republik drückt.

Bemerkenswert am Verhandlungsergebnis ist hingegen die Art und Weise, wie sich die Berliner Politik ihrer gestalterischen Möglichkeiten entledigt. 5,8 Milliarden der sieben Milliarden Mark, die im Haushalt der Hauptstadt 1997 ungedeckt sind, sollen jetzt durch Vermögensverkäufe erwirtschaftet werden. Wenn es den Akteuren an Ideen und Mut mangelt, wird die Silberkammer geplündert. Dabei geht es ja nicht nur um Sachwerte. Die Gestaltungsfähigkeit der Politik steht auf dem Spiel. Stück für Stück gibt Berlin staatliche Eingriffsmöglichkeiten auf und degradiert sich selbst zum hilflosen Akteur. Schon vor geraumer Zeit wurde ohne große gesellschaftspolitische Debatte der Verkauf des Energieunternehmens Bewag beschlossen, mit Zustimmung der SPD. Zwar ziert sich die Partei noch – allen voran ihre Basis –, die Wasserbetriebe auf den Markt zu spülen. Doch auch dies dürfte lediglich eine Frage der Zeit und der Bedingungen sein, unter denen ein Verkauf eingefädelt werden soll.

Der jahrzehntelange Konsens, sich staatliche Regulierungspolitik zu erhalten, zerbröselt nicht erst angesichts der desaströsen Haushaltslage. In der Großen Koalition gewinnen jene Kräfte an Gewicht, denen kommunale Hoheitsaufgaben ein lästiges Korsett geworden sind. Und so sehr das Etatergebnis auch die Handschrift der Marktbefürworter trägt, ein ent- und geschlossenes, und sei es ein neoliberales, Konzept ist nicht zu erkennen. Hier wird massiv Vermögen veräußert, dort wird die Gewerbesteuer für die ohnehin schwindende Industrie erhöht. In Berlin feierte sich gestern die geballte Hilflosigkeit – und blockiert sich dabei noch selbst. Severin Weiland