Scherf: Aufgeben wäre unverantwortlich

■ Bremer Bürgermeister weist Kritik des EU-Kommissars scharf zurück

Böse Nachrichten hat der EU-Wettbewerbskommissar Karel van Miert im Buten&Binnen-Interview am Donnerstag wiederholt: Verärgert ist van Miert, daß er seit Wochen vom Bremer Senat kein Konzept für Kapazitäts-Abbau bei den Unterweser-Werften erhält, stattdessen auf einer Vulkan-Protestversammlung vom Bremer Bürgermeister Henning Scherf als „Eurokrat“ beschimpft wird. Sein Vertrauen, so van Miert, sei aufgebraucht, jede Beihilfe-Anmeldung werden ganz strikt auf Subventions mißbrauch überprüft, und Zustimmung zu neuen Bonner Beihilfe-Zahlungen an die Ostwerften werde es nur geben, signalisierte van Miert, wenn im Bremen Kapazitäten abgebaut würden. Damit, so muß man schließen, setzt van Miert gleichzeitig Bonn unter Druck.

Für Bremen hat der Wettbewerbskommissar hinreichend Druckmittel: Die staatlichen Bürgschaften und Beihilfen für die Costa 1 werden noch nachträglich überprüft, der Rumpf der Costa 2 ist mit über 100 Millionen Staatsgeld gebaut worden, die Arbeitsamts-Finanzierungen von Mypegasus nicht einmal gerechnet, Bremen bekommt bestenfalls 15,6 Millionen davon wieder. Und das erste Finanzierungskonzept für die derzeit schon im Bau befindlichen Container-Frachter ist von der EU im Sommer abgelehnt worden, ein neues wurde bisher in Brüssel nicht vorgelegt. So großzügige Staatshilfe dürfe er, so van Miert damals, nur als „Schließungsbeihilfe“ genehmigen.

Vor diesem Hintergrund fällt auf, daß Bremens Bürgermeister Henning Scherf auf ein Fernsehinterview antwortet und dann aber in seiner Antwort auf die Sachfragen nicht eingeht, sondern sehr schroff politische Imperative benennt.

Dabei teilt Scherf mit, daß in diesem Sommer der „Versuch, aus den Unternehmen heraus ein Fortführungskonzept zu entwickeln, ... gescheitert“ sei. Eine Bremer Wirtschaftsprüfgesellschaft – das kann nur die Treuarbeit sein, die den Vulkan seit Jahrzehnten als Hausgutachterin begleitet – hat die Konzepte als „nicht tragfähig“ bewertet.

Aus dieser Lage heraus habe der Senat den Konkursverwalter „in seinem Vorhaben unterstütz“, Mc Kinsey mit einem externen Gutachten zu beauftragen. „Unverantwortlich“ sei es, die Perspektive einer „Unterweser-Auffanglösung aufzugeben“, sagt Scherf, auch wenn dies „nur im Rahmen einer Radikalkur“ möglich sei.

Die Treuarbeit hatte aber schon 1994, als es um Vulkan-Investitionen im Unterweserraum ging, das Werrftkonzeopt für „nicht tragfähig“ erklärt. Damals war Bürgermeister Wedemeier bereit gewesen, 200 Millionen staatlicher Hilfe fließen zu lassen, wenn eine EU-konforme Regelung gefunden worden wäre. Keine Chance hatten vor Monaten auch andere Gutachter dem Vulkan gegeben: Wie jetzt erst bekannt wurde, hatte hennemann selbst im Frühjahr 1995 die renommierte Gruppe Boston Consult um eine Expertise zur Lage des Konzerns gebeten. Alarmierendes Ergebnis: Nach Ansicht der Berater benötigte der Konzern allein für 1995 noch zusätzliche 689 Millionen an „Cash-Bedarf“, 1996 und 1997 weitere 400 Millionen..

Das McKinsey-Gutachten erwartet Scherf erst für Anfang 1997. Die EU in Brüssel droht, den Beihilfe-Hahn vollends zudrehen. Das Bonner Wirtschaftsministerium ist unter Zeitdruck, von Brüssel die erneute Auszahlung der im Cash-Management verschwundenen 850 Millionen für die Ostwerften genehmigt zu bekommen. Dies will Brüssel erst genehmigen, wenn in Bremen mehr Kapazitäten abgebaut werden. Die schlechte Nachrichten drohen in den nächsten Monaten also von drei Seiten. K.W.