Der Boykott bröckelt

■ Die "erhöhte Rückmeldegebühr" wird von den meisten widerstandslos gezahlt

„Die Studenten zahlen.“ Christian Walther, Pressesprecher der Freien Universität, bringt den Stand der Dinge in Sachen Rückmeldegebühr auf den Punkt. Von den knapp 50.000 Studierenden an der Freien Universität (FU) haben inzwischen 35.000 den kompletten Betrag bezahlt, inklusive der hundert Mark. Nur noch 722 echte Boykotteure zählt die Statistik der „Initiative gegen Studiengebühren“ für die FU. Echte Boykotteure sind Studenten, die alle Unterlagen eingereicht, aber keinen Blauen zusätzlich überwiesen haben. Auch an der Humboldt-Universität (HUB) und der Technischen Universität (TU) bröckelt der Protest. Genaue Zahlen gibt es erst in den nächsten Wochen.

Mit dem ersten Urteil des Verwaltungsgerichtes Mitte September, das die um 100 Mark erhöhte Rückmeldegebühr für rechtmäßig erklärte, brach der Boykott der meisten Studierenden wie ein Kartenhaus zusammen. Um die Mahngebühren in einem nun scheinbar aussichtslosen Kampf zu vermeiden, gab ein Großteil der StudentenInnen auf.

Der Sprecher der „Initiative gegen Studiengebühren“, Stefan Altenkamp, gibt sich pflichtbewußt dennoch optimistisch. „Wir warten die schriftliche Urteilsbegründung des Gerichts ab. Sobald die vorliegt, gehen wir in Berufung.“ Vor Ende Oktober wird allerdings nicht viel passieren. Und der nächste Prozeß kann noch auf sich warten lassen. Für HUler und TUler gibt die Initiative die Parole aus: Riskiert eine Exmatrikulation. Bei der FU ist sie vorsichtiger. Denn im Gegensatz zu den anderen Universitäten exmatrikuliert die FU Boykotteure sofort, ohne Nachfrist. Unterdessen versprach die Landesrektorenkonferenz (LRK), die hundert Mark zurückzuzahlen, sollte ein Gericht sich gegen die Gebühr aussprechen. „Deshalb braucht jetzt nicht unter Vorbehalt gezahlt oder gar auf Rückzahlung geklagt werden“, heißt es in der Erklärung der LRK.

Die Immatrikulationsbüros indessen machen Druck: Die Mahnungen werden bereits verschickt. Bei der TU waren das immerhin 11.800, bei der HU um die 5.000. Die FU gab sich ausnahmsweise kulant. Sie wartete zwei Wochen länger als angekündigt, ehe sie die Mahnungen auf den Weg brachte. Zwar greifen die Verwaltungen an den Hochschulen unterschiedlich schnell zur Knute der Exmatrikulation. Aber alle sind entschlossen: Wer nicht zahlt, fliegt.

Sie haben auch kaum eine Wahl. 27 Millionen Mark wurden den Berliner Universitäten vom Senat aus ihren Etats gestrichen. Das Geld sollen sich die Hochschulen jetzt in Form der Gebühr von den Studierenden zurückholen. 3,5 Millionen Mark weniger bekommt die TU vom Wissenschaftssenator. Bei der HU sind es 2,5 Millionen, die FU muß sogar 5 Millionen von ihren Studenten eintreiben, um die Verluste auszugleichen. Obwohl das Immatrikulationsbüro durch das Verwaltungschaos überlastet war, obwohl die erhöhte Gebühr so manche Karteileiche zur freiwilligen Exmatrikulation brachte und damit zu verminderten Einnahmen der Universität führte – die Pressestelle der FU glaubt, daß man letztlich „mit einem blauen Auge davongekommen“ sei. Ein Minus werde die FU nicht machen. Die anderen Hochschulen sind davon weniger überzeugt. Für Anselm Lange, hochschulpolitischer Sprecher der Grünen im Berliner Abgeordnetenhaus ist das Ganze nach wie vor eine Unverschämtheit. „Wie kann man einer Universität zumuten, der Stadt Geld vorzuschießen?“ fragt er. Von „Benutzergebühr“ oder „erhöhter Rückmeldegebühr“ will er nichts wissen. „Das sind eindeutig Studiengebühren“, meint Lange. Dennoch fühlt sich der Parlamentarier in der Sache etwas hilflos. „Wenn draußen nichts passiert, können wir als Abgeordnete auch nicht viel tun“, seufzt er resigniert. Christoph Dowe