Proteste in den USA

Nicht alle US-Farmer sind begeistert vom Gentech-Saatgut. Eine Koalition von 80 Organisationen ruft zum Boykott auf
■ Aus den USA Ronnie Cummins und Ben Lilliston

Nicht nur die Europäer sind empört, weil gentechnisch manipulierte Sojabohnen und andere Nahrungsmittel dem Markt ungekennzeichnet und ungetestet aufgezwungen werden sollen. Anfang Oktober organisierte eine neu entstandene Koalition aus 80 nordamerikanischen Farmer-, Verbraucher- und Umweltschutzgruppen Protestaktionen in Washington D.C., Minneapolis, Chicago und Kansas City, um einen Boykott gegen Monsantos gentechnisch manipulierte Sojabohnen und Ciba Geigys transgenen Mais vorzubereiten.

Ähnlich wie bei den Aktionen gegen das gentechnisch hergestellte Rinderwachstumshormon rBST trotzten Angehörige von Bauern- und Verbraucherverbänden der Polizei und schütteten Säcke mit gentechnisch manipuliertem Mais und Sojabohnen vor der Chicagoer Getreidebörse aus – dem Gebäude, in dem amerikanische Getreide- und Farmerzeugnisse auf dem internationalen Markt gehandelt werden. Wenige Tage später besprühte und beschädigte Greenpeace ein Erprobungsfeld mit Monsantos „Roundup Ready“-Sojabohnen (RRS) im ländlichen Iowa, was im ganzen Land für Aufmerksamkeit sorgte. Der Widerstand gegen die „Frankenstein-Nahrung“ nimmt in den USA zu, weil die Clinton-Regierung sich stur weigert, vor der Markteinführung gentechnisch manipulierter Nahrungsmittel und Ernteprodukte besondere Sicherheitsprüfungen einzuführen.

Mehrheit der US-Bürger wollen Kennzeichnung

Aufgrund der anhaltenden Opposition von Farmern und Verbrauchern wurden zwei genmanipulierte Tomaten, „Flavr Savr“ (Geschmacksbewahrer) und „Endless Summer“ (Ewiger Sommer) vom Markt genommen; Monsantos noch stärker umstrittenes Wachstumshormon rBST hat Verluste in Höhe von Hunderten Millionen Dollar eingebracht. Obwohl bei Umfragen bis zu 95 Prozent der US-Bevölkerung sich für die obligatorische Kennzeichnung gentechnisch manipulierter Nahrungsmittel aussprechen, bestehen die Biotech- und Getreidefirmen mit Unterstützung von Regierungsbehörden darauf, die diesjährige Ernte an transgenen Sojabohnen und Mais solle nicht isoliert und gekennzeichnet werden. Europa müsse mit Wirtschaftssanktionen der Welthandelsorganisation rechnen, wenn US-Gen-Nahrungsmittel keinen Zugang zum europäischen Markt erhalten.

Sojabohnen und Mais gehören zu den beiden wichtigsten landwirtschaftlichen Ernteprodukten in den USA, wobei 50 Prozent der Sojabohnenernte exportiert wird. Obwohl Monsantos RRS-Bohnen in diesem Jahr nur einen geringen Bestandteil der US-Sojabohnenernte bilden, beginnen die Farmer sich zu sorgen. Sie befürchten, daß die Europäer wegen der US-Politik hinsichtlich der Kennzeichnung im nächsten Jahr Sojabohnen und Mais aus anderen Ländern wie Argentinien und Brasilien beziehen könnten. Beunruhigt sind auch die US-Einzelhändler und Nahrungsmittelverarbeiter. Sie haben Angst, daß eine Reaktion der US- Verbraucher den Absatz von Produkten auf Soja- und Maisbasis beeinträchtigen könnte. Die Farmer- Opposition gegen die Gentech- Ernteprodukte wird angeführt von der „National Family Farm Coalition“ und den „Family Farm Defenders“, zwei ländlichen Gruppierungen zur Verteidigung der Familienfarmen gegen die heranrollende Welle riesiger Konzernfarmen.

„Wir brauchen diese genetisch veränderten Produkte nicht, wir wollen sie nicht, und wir werden sie nicht verwenden“, sagt der Sojafarmer Bill Christianson aus Missouri von der National Family Farm Coalition. Bevor er einen Sack mit Gentech-Mais vor die Getreidebörse von Chicago schüttete, sagte der Milchfarmer John Kinsman aus Wisconsin von den Family Farm Defenders: „Mit der Einführung der gentechnischen Manipulation und der Patentierung von Lebensformen wird eine Büchse der Pandora geöffnet, die man vielleicht nicht wieder schließen kann. Die Verseuchung der Nahrungsquellen und das monopolistische Eigentum an patentierten Lebensformen werden in den meisten Teilen der Welt die familiäre Landwirtschaft vernichten, auch in den Vereinigten Staaten.“

Bei Mais und Soja wird es nicht bleiben

Die Roundup-Ready-Sojabohnen, der Maximizer-Mais, rBST und die Flavr-Savr-Tomate sind nur die ersten Posten auf der Liste eines ständig wachsenden Angebots an gentechnisch manipulierten Nahrungsmitteln.

Monsanto wird noch in diesem Jahr genmanipulierte Baumwolle, Kartoffeln und Rapsöl auf den Markt bringen. Monsantos Baumwollpflanzen werden jetzt auf 800.000 Hektar in den USA geerntet, und die genveränderten „NewLeaf“-Kartoffeln der Firma wurden bereits in kleinem Maßstab in Kanada zur Erprobung auf den Markt gebracht. Übersetzung: Meino Büning

Ronnie Cummins ist Leiter der Pure Food Campaign, Ben Lilliston ist Chefredakteur der Umweltzeitung „Sustain“