Training für den Ernstfall

■ Wer experimentellen Hörfunk machen will, ist beim uniRadio falsch. Doch beim Studentensender können PraktikantInnen Erfahrungen für den Profifunk sammeln

Mit einem kleinen Recorder und Mikrophon bewaffnet läuft Frank Schlegel den Flur im Hauptgebäude der Freien Universität entlang. „Entschuldigung, könnte ich dir kurz mal eine Frage stellen?“ Die Studentin schreckt zurück. „Ach nee, lieber nicht.“ „O-Töne“ sammeln für eine Umfrage – tägliches Schwarzbrot eines Radioreporters.

Frank Schlegel ist Praktikant beim uniRadio Berlin-Brandenburg, das jeden Tag von 17 bis 18 Uhr auf 87,9 MHz sendet. Mit großer Spannung war der Start des Studentenfunks im Januar 1995 erwartet worden. Um so größer die Enttäuschung: Das Programm wurde von allen Seiten ausgebuht. Viel zu bieder, hieß es, die Macher seien nicht viel mehr als Mikrophonhalter für profilierungssüchtige Professoren. Ein Vorwurf, der die Leute vom uniRadio besonders ärgert. „Wir haben nun mal einen Programmauftrag, der besagt, daß unsere Themen alle einen Bezug zur Uni haben müssen“, erklärt Pressereferentin Ute Brandenburg. Schließlich wird der werbefreie Sender ja von 13 Hochschulen aus Berlin und Brandenburg finanziert, und die überwachen im Programmbeirat ihre „angemessene Präsenz“ in den Sendungen.

Doch das uniRadio ist mehr als eine Brücke zwischen der Hochschule und dem Rest der Welt. In erster Linie versteht sich der Sender als Ausbildungsradio. Alle Aufträge werden von PraktikantInnen produziert, den organisatorischen Ablauf regeln 14 Tutoren. Wer einen Einstieg in den Radiojournalismus sucht, ist hier genau richtig. „Am ersten Tag habe ich die Nachrichten geschrieben, am zweiten schon meinen ersten Bericht gemacht“, erzählt Frank Schlegel. Von der Recherche bis zum Sprechen des Beitrages machen die Praktikanten alle Arbeitsschritte selbst. Betreut werden sie von Tutoren, meist Studenten mit journalistischen Basiskenntnissen. Was noch nicht sendefähig ist, wird sendefähig gemacht. „Hier soll keiner für den Papierkorb arbeiten“, sagt Ute Brandenburg.

Sollten alle Stricke reißen, naht Rettung vom Chefredakteur: Vier Profijournalisten aus dem Hörfunk wechseln sich täglich als Lenker und Leiter ab. In regelmäßigen Abständen bieten sie für die Praktikanten auch Workshops in Sprecherziehung, Interview- und Moderationstraining an. Sowohl inhaltlich als auch formal orientiert man sich am „seriösen öffentlich- rechtlichen Hörfunk“. Möglichst große Professionalität ist das oberste Ziel. Zeit für kreative Experimente bleibt da nicht. „Provokativ und frech zu sein ist eben erst die Kür“, meint Moderator Tim Kröger. Vorwürfe, das Programm sei ideenlos und dröge, kratzen die Macher wenig. „Wir wollen eben keine Meinungsmache betreiben. Unser Anspruch ist qualitativ hochwertiger, neutraler Journalismus“, sagt Ute Brandenburg.

Jede Idee ist beim uniRadio willkommen

Die meisten Praktikanten nutzen den Sender als Probierfeld, um ihre Hörfunktauglichkeit zu testen. „Ich will sehen, ob dieses aktuelle Arbeiten unter Zeitdruck für mich in Frage kommt“, sagt Philosophiestudent Florian Neuner. Die größte Herausforderung dabei ist der Umgang mit der eher einfachen Hörfunksprache. „Als Student eine ganz schöne Umstellung.“

Ob Innen- oder Außenpolitik, Kultur oder Soziales – solange sich ein Bezug zur Hochschule herstellen läßt, ist jede Idee willkommen. Neben dem aktuellen Informationsmagazin „Life at Five“, gibt es samstags und sonntags Literatur- und Musiksendungen mit längeren Features zu zeitlosen Themen. Finden sich Sponsoren, will uniRadio sogar ein weniger akademisches Unterhaltungsprogramm in der Spätschiene von 22 bis 24 Uhr fahren. Laut Ute Brandenburg haben Ex-Praktikanten gute Chancen beim Profifunk. „Sie sind bei anderen Sendern als freie Mitarbeiter gerne gesehen, weil wir hier eine gute Basisausbildung machen.“ Ein Praktikum dauert in der Regel dreißig Tage und läßt sich flexibel über acht bis zwölf Wochen verteilen. Interessenten sollten sich früh bewerben. „Für die nächsten Winterferien“, sagt Ute Brandenburg, „ist jetzt schon alles voll.“ Tanja Hamilton

uniRadio, Tel.: 841727109