■ Pharmafirmen wollen sich Gene des Südens erschleichen
: Biokorsaren und Samenpiraten

Wer denkt schon beim Spaziergang durchs tropische Gewächshaus daran, daß hier vielleicht gerade Millionengewinne aus Boden und Kübeln sprießen, zum Beispiel Heilmittel gegen Bluthochdruck oder Krebs. Gewinne, auf die eigentlich die Länder des Südens zumindest einen Teilanspruch hätten .

Pharmaunternehmen und Chemiekonzerne haben es erkannt – die Böden unserer botanischen Gärten könnten für sie zur Goldgrube werden. Seit 1992 in Rio die Biokonvention der Vereinten Nationen beschlossen wurde, gilt für die kommerzielle Nutzung der Artenvielfalt des Südens das Prinzip der „geteilten Gewinne“: Privatfirmen, die etwa Wirkstoffe oder Zuchtsorten aus tropischen und subtropischen Pflanzen vermarkten, sollen deren Herkunftsländer finanziell beteiligen.

Was liegt da näher, als die Konvention zu umgehen und nicht mehr im Süden Kakteen und Kräuter auszugraben? Vor allem die botanischen Gärten Europas sind willkommene und womöglich preiswertere Lieferanten. Tausende von Europas Tropengewächsen stammen noch aus dem 19. Jahrhundert. Die Kolonialära hat einen wertvollen Genpool hinterlassen. Formal fallen diese Bestände genausowenig unter die UN-Konvention wie alle Gewächse, die danach bis 1992 in den Norden gelangt sind.

Deshalb versuchen Unternehmen wie die US- Firma Phytera Pharmaceuticals die botanischen Gärten Deutschlands mit lächerlichen Gewinnbeteiligungen zu ködern. Angesichts knapper Kassen könnte das bei den Gärten immerhin Begehrlichkeiten wecken. Aus Geldnot aber dürfen sie keinesfalls für dubiose Pflanzendeals anfällig werden. Die Mitglieder der Biokonvention müssen demnächst in Buenos Aires klar regeln, zu welchen Bedingungen Privatfirmen die „Exilpflanzen“ der botanischen Gärten des Nordens nutzen können und wie die südlichen Länder daran teilhaben.

Biokorsaren und Samenpiraten der Pharmaindustrie, die auf Patente zu Discountpreisen Jagd machen, wiederholen den Goldrausch der alten Conquista. Doch das grüne Gold der Gene gehört keiner Aktiengesellschaft, sondern all denen, deren Erde es hervorgebracht hat. Thomas Worm