■ Ökolumne
: Klimaanschlag Von Dieter Seifried

Es ist nicht zu fassen: Bei der Klimaschutzkonferenz in Berlin setzt sich die Umweltministerin für den Schutz des Klimas ein, und in Bonn sorgt Bundeswirtschaftsminister Rexrodt wenige Monate später mit seinem Entwurf für ein neues Energiewirtschaftsgesetz für eine Beschleunigung der Klimakatastrophe. Die direkten Auswirkungen des geplanten Gesetzes werden sich in zusätzlichen Kohlendioxidemissionen sowie einer Stärkung der großen Stromkonzerne niederschlagen. Der Charme des Rexrodt-Entwurfs liegt ausschließlich darin, daß er dem Zeitgeist der Liberalisierung und Deregulierung entspricht. Was für die Industrie gut ist, kann für den Wirtschaftsstandort Deutschland nicht schlecht sein. Doch was zunächst für den Laien sehr plausibel klingt, stellt sich bei

genauerem Hinsehen als gefährlicher Weg heraus,

der eindeutig zu Lasten der Verbraucher und der

Umwelt geht.

Die geplante Abschaffung der Gebietsmonopole für die Stromkonzerne wird zu einem Preiswettbewerb um große Industriekunden führen. Diese werden wohl von Preissenkungen profitieren, während die kleinen Gewerbe- und Industriekunden sowie die Haushalte mit höheren Preisen zu rechnen haben. Die Verschiebung der Kosten zu den Kunden, die der Versorgung durch ihren Stromkonzern nicht ausweichen können – im Fachjargon werden sie auch als gefangene Kunden bezeichnet –, ist Tradition in der Elektrizitätswirtschaft.

Doch die klammheimliche Umverteilung, die eigentlich die Verbraucherschutzverbände auf die Palme bringen müßte, ist nicht das gravierendste Defizit des Entwurfs. Die langfristigen Strukturverschiebungen in der Energiewirtschaft sind weitaus gefährlicher. In einer Energiewirtschaft, in der sich der billigste (und häufig auch der schmutzigste) Anbieter durchsetzt, haben die eigentlich zukunftsträchtigen, aber heute noch teuren, regenerativen Energiequellen, wie z.B. die Solarenergie, keine Chance.

Auch die ressourcenschonende Kraft-Wärme- Kopplung steht auf dem Spiel: Warum sollten die Dinosaurier der Stromversorgung, die großen Verbundunternehmen, ihre Markt- und Finanzmacht sowie ihre reichlich vorhandenen Überkapazitäten nicht ausnutzen, um mit Dumpingpreisangeboten die kommunale Kraft-Wärme-Kopplung und später die gesamten Stadtwerke aus dem Feld zu schlagen?

Bleibt noch die rationelle Energienutzung, die es kaputtzumachen gilt. Auch dies schafft Rexrodts Modell: Bei einem reinen Preiswettbewerb wird das Angebot an ökologisch verträglichen Energiedienstleistungen durch kommunale Unternehmen zurückgehen. Dabei wäre gerade ein Qualitätswettbewerb mit dem Ziel, die Kunden mit kostengünstigen und umweltschonenden Energiedienstleistungen zu versorgen, ein viel besserer Weg, der mit Innovationsanreizen auch dem Handwerk und der Industrie zugute kommen würde.

Die Veredelung der Energie zum Beispiel durch zusätzliche Beratungsleistungen, Prämien für die Verwendung effizientester Technologien oder die Finanzierung von Einsparmaßnahmen führt zwar zu höheren Preisen. Da die Kunden jedoch weniger Kilowattstunden benötigten, würden die Energierechnungen der Abnehmer trotzdem sinken. Dieser Weg braucht jedoch die Unterstützung einer starken staatlichen Energie- und Preisaufsicht, die im Rexrodt-Entwurf kein Platz hat.

Selbst das immer propagierte Hauptziel – Wettbewerb zu schaffen – erfüllt der Gesetzentwurf völlig unzureichend: Es ist nicht eindeutig geregelt, wieviel ein Lieferant aus dem Norden dem Stromnetzinhaber aus Hessen zahlen muß, um seinen Strom über dessen Netz nach Bayern zu bekommen – nicht einmal, wie dieser Preis ermittelt werden könnte. So wird sich Rexrodt bald nicht nur aufgebrachten Umweltschützern und Verbrauchern, sondern auch klagenden Energielieferanten gegenüber sehen. Trost spendet uns der Gedanke, daß der Entwurf wenigstens zur Arbeitsbeschaffung für Gerichte und Rechtsanwälte taugt.

Wer sich vor dieser Bilanz Sorgen um sein Land macht, sei beruhigt: Die Aufnahme des Umweltschutzes als Ziel des Gesetzes ist in Paragraph 1 vorgesehen. Da kann dann wohl nichts mehr schiefgehen!