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Erst bauen, dann Achseln zucken

Neues vom AKW Krümmel: Vorschriften mißachtet und TÜV ausgetrickst / Umweltminister will HEW-Kohle für Leukämie-Studie  ■ Von Florian Marten

Wieder einmal will es niemand gewesen sein: Mit Achselzucken reagierten die Hamburgischen Electricitätswerke (HEW) auf neue Vorwürfe über Pfusch in Krümmel: Schon beim Bau des umstrittenen Siedewasser-Reaktors östlich von Hamburg seien Bauvorschriften mißachtet, Sicherheitsauflagen nicht beachtet und die Genehmigungsbehörden ausgetrickst worden. HEW-Sprecher Johannes Altmeppen: „In der Bauphase war der Betreiber nicht zuständig, deshalb kann ich im Detail dazu nichts sagen.“

Der NDR hatte am Sonnabend berichtet, 1972 sei mit dem Bau des Reaktordruckbehälters begonnen worden, ohne daß der Technische Überwachungsverein und die Genehmigungsbehörden davon unterrichtet wurden. Der TÜV erfuhr erst mit dreimonatiger Verspätung, daß der Stahl für die Sicherheitshülle des Reaktors bereits in Frankreich gegossen und gewalzt wurde. Nach einem Gutachten des TÜV vom Oktober 1974 soll das französische Stahlwerk Merrel gar nicht in der Lage gewesen sein, Stahl mit ausreichender Qualität herzustellen: Die Prüfer stellten Verunreinigungen im Material fest.

Damit nicht genug: In die Genehmigungsunterlagen für Krümmel soll der Reaktorhersteller AEG Unterlagen des bereits früher errichteten Siedewasser-AKWs Brunsbüttel eingespeist haben. Kleiner Schönheitsfehler: Brunsbüttels Druckbehälter ist nur halb so groß wie der von Krümmel und laut TÜV „kaum vergleichbar“. Mittlerweile hat sich die Staatsanwaltschaft Lübeck eingeschaltet. HEW-Sprecher Johannes Altmeppen stört das alles nicht sonderlich: Schließlich seien die Schweißnähte des Druckbehälters seit 1983 innerhalb von vier Jahren „rundum“ überprüft worden.

Für Eugen Prinz, Sprecher der Bürgerinitiative gegen Leukämie in der Elbmarsch, sind das „Ausflüchte“. Prinz forderte gestern Schleswig-Holsteins Energieminister Claus Möller (SPD) auf, angesichts dieser „eklatanten und strafrechtlich relevanten Verstöße sofort die Betriebsgenehmigung für das AKW Krümmel bis zur Klärung sämtlicher Fragen einschließlich der Ursachen für die weltweit größte Häufung von Blutkrebsfällen zu widerrufen“.

Krümmel ist zur Zeit aufgrund einer Entscheidung des Oberverwaltungsgerichtes in Schleswig weiter abgeschaltet, weil das Verfahren um die Klage gegen die Verwendung neuartiger Brennelemente noch nicht abgeschlossen ist.

Derweil kämpft in bewährter rot-grüner Arbeitsteilung Schleswig-Holsteins grüner Umweltminister Rainder Steenblock um ein paar Mark: Steenblock leitet aus den jüngsten Gerichtsurteilen in Sachen Krümmel ab, daß der AKW-Betreiber HEW sich an den Kosten der sechs Millionen Mark teuren Untersuchung der Leukämiefälle rund um den Atommeiler beteiligen müsse. Altmeppen schüttelt dazu nur sanft den Kopf: Die HEW hätten die Leukämie-Kommission doch längst mit allen Materialien und sogar auch noch finanziell unterstützt, mit immerhin insgesamt 200.000 Mark.

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