Greenpeace: Bewag verkaufen

■ Greenpeace-Mitarbeiter hat nichts gegen die Privatisierung der Bewag - solange das Netz beim Staat bleibt. Initiative Blue 21 plant Umwelt- und Entwicklungsbilanz

Der geplante Verkauf des landeseigenen Energieversorgers Bewag hat erstmals auch im grünalternativen Spektrum Zustimmung gefunden. „Die Energieerzeugung kann ruhig privatisiert werden“, meinte Dag Schulze von Greenpeace Berlin. Der Greenpeace- Mitarbeiter forderte aber, die Stromverteilung auf jeden Fall in staatlicher Regie zu behalten. „Das Netz ist das wichtigste für eine sinnvolle Energiepolitik“, sagte Schulze bei der Landesarbeitsgemeinschaft Umwelt und Entwicklung (Blue 21) im Haus der Demokratie.

Bündnisgrüne, PDS sowie Teile der SPD sind strikt gegen eine komplette Veräußerung der Bewag, die dem Senat 3,3 Milliarden Mark in die Staatskasse bringen soll. Schulze begründete seine Abkehr von dieser Haltung mit der miserablen Energiepolitik an der Spree. Obwohl die Bewag sich zu über 50 Prozent im Eigentum des Landes befinde, schaffe es der Senat nicht, die beschlossene Förderung regenerativer Energien durchzusetzen.

Bei der Energieproduktion, die zur Hälfte durch Kohleverfeuerung bestritten wird, werden pro Jahr 30 Millionen Tonnen Kohlendioxid in der Stadt freigesetzt. Der Ausstoß des Treibhausgases könnte mit unerschöpflichen Energieträgern wie Wind oder Sonne bis zum Jahr 2010 um ein Viertel reduziert werden.

„Wer das Netz hat, besitzt die Macht“, sagte Schulze zur taz. Die Bewag schütze ihre fossilen Energieträger Kohle, Gas und Heizöl, indem sie das Netz für regenerative Energie de facto sperre. Sie weigert sich mit den Stimmen des Senats im Bewag-Aufsichtsrat, alternativ erzeugten Strom kostendeckend zu vergüten. Sanfte Stromerzeugung in photovoltaischen Anlagen kostet rund zwei Mark je Kilowattstunde. Die Bewag zahlt nur knapp 18 Pfennig. So kann sich der Markt für die bislang 220 Berliner Kleinproduzenten von Sonnenenergie nicht entwickeln. „Um dezentral erzeugte Energie zu fördern“, sagte Schulze, „brauche ich aber das Netz.“

Die Initiative Blue 21 will eine umwelt- und entwicklungspolitische Bilanz der Hauptstadt ziehen. Zwei Dutzend Gruppen aus der Öko- und Dritte-Welt-Szene besprachen im Haus der Demokratie die Erstellung eines Buches „Zukunftsfähiges Berlin“. Darin sollen sogenannte Stoff- und Energiebilanzen der Hauptstadt aufgestellt werden. Blue 21 will sich gleichzeitig der vernachlässigten Entwicklungspolitik zuwenden und dabei Migration, Flüchtlingsbewegungen und den Weltmarkt zum Thema machen.

Sabine Hofmeister von der Technischen Universität forderte, daß „Stoffbilanzen“ für jeden Betrieb in der Stadt so selbstverständlich werden müßten wie die Finanzbuchhaltung. Nur so sei zu ermitteln, woher Rohstoffe, Nahrungsmittel oder Energien nach Berlin kämen – und wohin sie als Müll, Abwasser oder Emission wieder verschwänden. Bislang „wissen wir alles und nichts über die Stoffströme“, sagte die Wissenschaftlerin. Christian Füller

Kontakt Blue 21, 694 61 01