Theaterlaufbahn als Experiment

■ taz-Serie über neue KünstlerInnen in HB: Christoph Finger

Für manche Menschen beginnt am Hauptbahnhof ein anderes Leben. „Das eine, was man will, das andere, was man muß“, scheidet der immer kluge „Volksmund“ zwischen Pflicht und Kür oder zwischen privatem und beruflichem Dasein. Und doch gibt es Leute, die sich diesem System widersetzen, es zumindest benennen oder gar in Frage stellen. So wie Christoph Finger, einer der Neulinge im Bremer Schauspielensemble.

Für Christoph Finger liegt die Mitte der Welt in Hamburg, denn dort lebt sein inzwischen zwölfjähriger Sohn, den er mehr als nur zeitweise allein erzog. Bremen ist da nur Filiale; die Hansestadt an der Weser ist der Ort zum Broterwerb. Und doch ist das Engagement am hiesigen Theater zugleich willkommene Perspektive, weil die Hamburger Stationen Ernst-Deutsch-Theater oder Theater im Zimmer für Finger nichts neues mehr boten.

So gehört der 40jährige Christoph Finger (als Schnock Gast im „Sommernachtstraum“; als Yvan in großer Rolle in „Kunst“) zu der Schauspielerspezies, die nach der Ausbildung nicht nur zum Stadttheater schielten. Befristete Engagements wechselten sich ab mit freien Projekten in Düsseldorf oder „auf Kampnagel“: Eine Theaterlaufbahn als ständiges Experiment.

Der ursprünglich zum Kaufmann ausgebildete Christoph Finger hat die Epoche noch im Sinn, in der auf den Schauspielbühnen Politik gemacht, Skandale entfacht oder aufgedeckt wurden. Wo ist sie also die gesellschaftspolitische Rolle des Theaters? Etwas ratlos nimmt Christoph Finger deshalb zur Kenntnis, daß das „Kunst“-Publikum mit dem festen Vorsatz ins Schauspielhaus kommt, sich bloß zu amüsieren.

Doch der emsige Betrieb namens Bremer Theater nimmt Christoph Finger schon längst wieder für die nächste Produktion in Beschlag – Schillers „Don Carlos“ in der Version Barbara Bilabels. Der Schauspieler dreht sich schnell noch eine Zigarette, und im Gehen verrät er uns das Geheimnis des Totenkopf-Rings an seiner rechten Hand: „Das ist der Ring von Keith Richards – die Stones und Bach: das ist meine Musik.“

Das Diabolische und das Göttliche? Schon wieder ein Dualismus, doch das ist ein anderes Thema.

ck