"Ökosteuern für die Industrie"

■ Gespräch mit Carlhanns Damm, Vorstandschef der AEG Hausgeräte. "Die Verbände haben ökologisch extrem viele Fehler gemacht. Da ist wirklich eine Revolution nötig"

taz: Ökologisch orientierte Unternehmen sind immer erfolgreicher, die Zahl der Arbeitsplätze steigt, gleichzeitig wird aber das Geschrei über die ökologischen Anforderungen an die Wirtschaft immer schlimmer. Warum?

Carlhanns Damm: Dafür gibt es eine einfache Erklärung. Der Widerstand wird größer, weil man glaubt, in der derzeitigen wirtschaftlichen Lage hier Geld einsparen zu können. In schlechten Zeiten stoppt man die Investitionen in den Umweltschutz und versucht die Lohnfortzahlung um zwanzig Prozent zu kürzen. Das Geschrei wird aber nicht von Dauer sein. Ich beobachte den Einzug von immer mehr ökologischen Überzeugungstätern ins Management.

In den Wirtschaftsverbänden spürt man davon aber nichts.

Das geht langsam. Trotz der Überzeugungstäter.

Langsam? Beim Bundesverband der Deutschen Industrie bewegt Herr Henkel, der wie sie mal zum Ökomanager des Jahres gekürt wurde, ökologisch überhaupt nichts.

Man muß unterscheiden, ob jemand als IBM-Chef sein Computerunternehmen zum weltweit ökologischsten machen will, oder ob man einem Verband mit Tausenden Unternehmen vorsteht. Im Verband sind dann auch viele Firmen dabei, die nur fragen, was der Umweltschutz kostet. Herr Henkel muß die in Schutz nehmen. Als Überzeugungstäter, wie ich einer bin, wäre man dort ungeeignet.

Ökologisch nach vorne bringt das die deutsche Industrie aber noch nicht.

Wir brauchen die ökologische Steuerreform, um den Umweltschutz in der Industrie bezahlbar zu machen. Die Steuern müssen für die Industrie kommen, nicht für die Haushalte. Und sie müssen an die Industrie zurückgezahlt werden. Wer ökologisch investiert, muß von der Steuer befreit werden. Zahlen sollen die, die sich ein ökologisches Mäntelchen umgehängt haben, aber real nichts tun.

Das würde gleichzeitig die Wettbewerbsverzerrung zwischen Firmen, die wie wir jährlich zwanzig bis dreißig Millionen Mark in den Umweltschutz stecken und der unökologischen Konkurrenz mildern.

Für das Propagieren einer solchen ökologischen Steuerreform wird man in der deutschen Wirtschaft bislang nur beschimpft.

Na ja, ein Spitzenmanager eines großen Konzerns hat meiner Firma deshalb mal empfohlen, mich abzulösen. Mit solchen Leuten kann man nicht diskutieren. Aber das sind isolierte Vorgänge. Der Vorstandsvorsitzende des gleichen Konzerns hat mich anschließend zum Kamingespräch geladen, um das aus der Welt zu schaffen.

Viele Manager schimpfen immer noch über den Umweltschutz.

Das ist eigentlich nicht vertretbar. Wenn die Industrie sich nicht hinter dieses Thema klemmt, werden die Folgen diejenigen auszubaden haben, die heute noch nicht handeln können. Der Umweltschutz kann künftig auch nicht mehr beim Personalchef angesiedelt sein. Das muß der Vorstandschef selber machen oder der Technikchef. Administrativ an dieses Thema heranzugehen, würde den Umweltschutz erledigen. Dies nicht geschehen zu lassen, dafür haben wir eine große Verantwortung.

Und wenn die Industrie der Verantwortung nicht gerecht wird?

Dann geht es um Köpfe. Denn das ist keine Frage der Moral, ökologischer zu werden, es ist eine Frage der Zukunft. Die Verbände aller Art haben ökologisch und ökonomisch in den vergangenen Jahren so extrem viele Fehler gemacht. Die Aufbrüche, die in den Firmen heute passieren, im härter werdenden Wettbewerb, sind auch in den Verbänden bitter nötig.

Wenn die Verbände nicht mehr funktionieren, dann müßte die Industrie doch andere Interessenvertreter suchen, die der Politik als Gesprächspartner zur Verfügung stehen. Ganz ungewohnt.

Ja, sicher. Da ist wirklich eine Revolution nötig. In der vergangenen Woche kamen wieder all die alten Motive der Arbeitgeberverbände und der IG Metall auf den Tisch. Dabei sind die Argumente auch nach hundertmaliger Wiederholung nicht richtiger. Es hört ja niemand mehr zu.

Welche Argumente sind falsch.

Tarifverträge dürfen natürlich nicht gebrochen werden. Aber warum gehen Hunderttausende wegen der Lohnfortzahlung auf die Straße? Da stimmt doch das Verhältnis nicht. Die Kosten in Deutschland sind insgesamt zu hoch, nicht nur die Lohnnebenkosten. Bauen sie mal in Deutschland eine Fabrikhalle. Die muß für eine Schneelast ausgelegt sein, die gibt's in hundert Jahren nicht. Sie brauchen eine Sprinkleranlage und eine Betriebsfeuerwehr, das alles brauchen sie in Tschechien nicht. Das sind die Kosten, die uns kaputtmachen.

Die Konkurrenz mit Tschechien und Malaysia kann man aber doch nicht über Löhne oder Baukosten gewonnen werden, nur über neue Produkte, über Innovation.

Richtig. Früher habe ich gedacht, wer das erfolgreichste Marketing macht, wird gewinnen. Heute weiß ich, wer die innovativsten Produkte fertigt, gewinnt. Wenn ich einen Wäschetrockner baue, der in weniger Zeit mit weniger Strom die Wäsche besser trocknet, dann habe ich gewonnen. Es sei denn, meine Leute streiken während der Auslieferung ...

Nicht die Art von Revolution im eigenen Betrieb, die sie wollen.

Natürlich nicht. Wir haben über die Jahre aus dem Konzern AEG Hausgeräte eine Firma AEG gemacht. Die Mitarbeiter sind nicht mehr das kleine Rädchen im Konzern, sondern identifizieren sich mit ihren Produkten. Wir haben einen Konzernbeirat von jungen Leuten, die für uns Ideen produzieren.

Wie wirken sich diese Veränderungen aus?

Wir haben von 1994 bis 1996 mit Abstand die meisten Tests der Stiftung Warentest gewonnen. Nicht umsonst. Die 450.000 neuen Geschirrspüler, die wir dieses Jahr ausliefern, ersparen der Umwelt im Vergleich zu zehn Jahre alten Modellen jährlich 1.000 Tonnen Salze, eine Milliarde Liter Abwasser und 13 Millionen Kilowattstunden Strom. Ein neuer Kühlschrank, der vor zehn Jahren 80 Mark jährlich an Strom gebraucht hat, braucht heute Strom für 24 Mark. Soviel wie die Stand-by- Schaltung ihres Fernsehers.

Und ökonomisch?

Zuerst wird man belächelt. Es gab sogar Proteste im Haus, als ich die ersten Ökolabels auf unsere Kühlschränke kleben ließ. Aber als wir als einzige im vergangenen Jahr für eine Waschmaschine bei der Stiftung Warentest ein „sehr gut“ hatten, ging der Umsatz der Maschine um zwanzig Prozent herauf. Und wenn's so klappt, folgen alle Konkurrenten nach.

Interview:

Hermann-Josef Tenhagen