Noch kein Geld für Opfer

■ Holzschutzmittelprozeß in Neuauflage. Betroffene sind sauer

Frankfurt (taz) – Ein alter Mann weint: „Ich werde nie wieder gesund.“ Er ist holzschutzmittelgeschädigter Nebenkläger. Auf der anderen Seite des Frankfurter Gerichtssaales I war gestern vormittag nur Fritz Hagedorn (67) erschienen, einer der beiden angeklagten, ehemaligen Geschäftführer der Firma Desowag. Sein Kollege, Kurt Steinberg (71) ist auch krank, Lunge und Herz sind chronisch geschädigt. Und Hagedorn, stellt Heiner Gehrke, der Vorsitzende Richter der Umweltstrafkammer am Landgericht fest, „geht es auch nicht so gut“.

Richter Gehrke rät den Prozeßparteien gleich zu Beginn der Revisison im längsten und größten Umweltprozeß der deutschen Geschichte „sehr nachdrücklich“ zum Vergleich. Er gibt eine Woche Bedenkzeit. Die vom Bundesgerichtshof (BGH) verfügte Neuauflage des im Mai 1993 mit der Verurteilung der beiden Angeklagten beendeten Verfahrens könne wiederum ein gutes Jahr dauern und dann in die Revision gehen. Dies widerspreche dem Recht der Angeklagten auf eine angemessene Verfahrensdauer und verzögere Zivilklagen der Betroffenen.

Gespräche im Vorfeld waren ins Stocken geraten, weil die Firmen der Angeklagten zwar acht Millionen Mark in einen Fonds für eine neue Umweltstiftung zahlen, aber keine auch noch so geringe Schuld anererkennen wollten. Oberstaatsanwalt Manfred Stotz dagegen hatte seine Zustimmung zur Einstellung von eben dieser Schuldanerkenntnis nach Paragraph 153a der Strafprozeßordnung und einer Geldzahlung in einen Hilfsfonds für Betroffene abhängig gemacht.

Der BGH hatte das Urteil von einem Jahr Haft und der Zahlung von je 120.000 Mark wegen fahrlässiger Körperverletzung und Freisetzung von Giften 1995 vor allem deshalb gekippt, weil es sich einseitig auf ein Gutachten stütze, das, so die Bundesrichter, wissenschaftlich ungedeckt einen kausalen Zusammenhang zwischen den Erkrankungen der Häuslebauer und den Produkten Xyladecor und Xylamon hergestellt habe.

Heinz-Josef Rous von der Interessengemeinschaft der Holzschutzgeschädigten war gestern sauer. Dem vorgeschlagenen Vergleich kann er nichts abgewinnen. Da verdiene die Chemieindustrie „gleich dreimal an uns“: „Erst verkaufen die die Holzschutzmittel, dann die teuren Medikamente, die wir alle in großen Mengen nehmen müssen, und dann bekommen die noch eine Forschungseinrichtung.“ Heide Platen