Politpensionist Glotz gründet Erfurter Uni

■ Kritiker befürchten künftig eine „geisteswissenschaftliche Spezialschule“

Belin (taz) – Peter Glotz, Politpensionist und Intellektueller, möchte ein Kapitel deutscher Hochschulgeschichte schreiben. Das thüringische Kabinett bestimmt ihn heute zum Gründungsrektor der Universität Erfurt. Die jüngste deutsche Uni ist zugleich die drittälteste. 1379 war sie zum ersten Mal gegründet worden.

„Das soll eine kleine Eliteuniversität werden“, bemerkt neidisch der Sprecher der benachbarten Pädagogischen Hochschule Erfurt. Rund 6.000 Studis werden im Jahr 2005 in Erfurt ihre Nasen in Bücher stecken.

Kein Vergleich wäre das zu den akademischen Massenunterkünften im Rest der Republik. Der Wissenschaftsrat hat in seiner Empfehlung gar nur 4.000 Studierende gezählt, die in „einer forschungsorientierten und betreuungsintensiven“ Uni vor allem geisteswissenschaftliche Studien treiben sollen.

Ehe der Wissenschaftsrat das Konzept befürwortete, hatte sich das oberste Evaluierungsgremium lange geziert, sein Plazet zu geben. Dies hat mit der Ausrichtung der Uni zu tun. „Man müßte mal fragen, ob das überhaupt eine Uni ist“, sagt Peer Pasternack. Der Herausgeber von hochschule ost, einem kritischen Unijournal, spielt damit auf das Fehlen der Naturwissenschaften an. „Eine geisteswissenschaftliche Spezialschule“ sei Erfurt, so Pasternack. Die erste Aufgabe des Kommunikationswissenschaftlers Peter Glotz wird es nun sein, das Max-Weber-Kolleg einzurichten. Es soll ab 1997 nur Studiosi aufnehmen, die bereits diplomiert sind. Die Bibliothek, mit deren Bau gerade begonnen wird, soll im Jahr 2000 fertiggestellt sein. Der vielbeschäftigte Glotz hat den Erfurtern versprochen, die Uni zügig aufzubauen. Sogar seinen Wohnsitz will er dort nehmen.

Die ideologische Ausrichtung der Universität muß sich erst noch weisen. Die Strukturkommission Erfurts führte Hermann Lübbe an, ein konservativer Philosoph. Lübbe prägte zunächst nur das Konzept. Ihm folgt nun als Gründungspräsident der unzweifelbare europäische Intellektuelle und Demokrat Peter Glotz nach. Glotz hatte als Berliner Wissenschaftssenator Ende der 70er Jahre ein glückliches Händchen. Er berief progressive Professoren, von denen die Berliner Unilandschaft noch heute profitiert.

Glotz' Gang nach Erfurt enthält eine historische Ironie. Er nimmt so etwas wie eine späte Rache dafür, daß ihn 1992 die Humboldt- Uni als Präsidenten verschmähte. Nun versucht Glotz, die Universität Erfurt wieder aufzubauen, die Preußen zugunsten der damals neugegründeten Humboldt-Universität 1816 kurzerhand aufgelöst hatte. Christian Füller