Die Häuser zerstört, der Boden vermint

■ Nur wenige BosnierInnen, die eine Rückkehr erwägen, wollen aufs Land – zu unsicher erscheint ihnen dort die Lage

In der Flüchtlingsberatungsstelle des Diakonischen Werks in Stuttgart schwankt die Stimmung von Zimmer zu Zimmer. Dort, wo sich die meisten Menschen vor den Türen drängeln, beobachten die Berater „Verunsicherung und Panik“. Hier geht es um den mühsamen Kleinkrieg gegen verordnete Stichtage und Ausreiseaufforderungen, um Abschiebung – und um Angst. Wenige Zimmer weiter jedoch verhaltene Zuversicht. Als eine von drei Anlaufstellen in Baden-Württemberg gibt das Diakonische Werk hier bosnischen Flüchtlingen Hilfestellung, die eine freiwillige Rückkehr erwägen.

Die allermeisten, die hierherkommen, geben als Zielort Sarajevo an, einige vielleicht noch Mostar oder Tuzla. Aufs Land, auch wenn das die eigentliche Heimat ist, will kaum jemand – zu unsicher erscheint die Lage dort, zu zerstört ist die Infrastruktur, zu vermint der Boden.

5.000 der 320.000 bosnischen Kriegsflüchtlinge haben bisher Deutschland verlassen. So meldet es das Bundesinnenministerium. Die geringe Zahl hat ihren Grund. Rund zwei Drittel der Flüchtlinge stammen aus Gebieten, die heute zur Republika Srpska gehören. Aber auch diejenigen, die aus dem bosnisch-muslimischen Teil kommen, beurteilen die Rückkehrchancen äußerst skeptisch. Angst vor einem neuen Ausbruch der Gewalt ist der eine Grund für das Zögern, der stockende Wiederaufbau des Landes der andere.

Von den 1,8 Milliarden Dollar Aufbauhilfe, die eine internationale Geber-Konferenz im Frühjahr beschlossen hat, sind von Seiten der Geldgeber erst knapp 900 Millionen eingegangen. Und nur 550 Millionen sind bisher tatsächlich nach Bosnien-Herzegowina geflossen. Wichtiger noch: Die internationalen Wiederaufbaugelder werden vorerst das drängendste Problem der Flüchtlinge, den fehlenden oder zerstörten Wohnraum, kaum beheben. Die Finanzspritzen sind vor allem für Infrastrukturmaßnahmen wie etwa den Straßenbau gedacht.

Private Investoren halten sich bisher fast gänzlich zurück. Denn während die Bundesinnenminister Bosnien-Herzegowina zum Land erklären, in das eine freiwillige Rückkehr ohne Hindernisse möglich ist, schätzt die Privatwirtschaft die politischen Rahmenbedingungen noch als viel zu unsicher ein. Als einzige größere Institution versucht das UN-Flüchtlingskommissariat derzeit, mit einem 70-Millionen-Programm das drängende Wohnungsproblem anzupacken.

In zahlreichen Gemeinden werden Aufbaumaßnahmen koordiniert und Baumaterialien zur Verfügung gestellt. Modellcharakter für die „Repratriierung“ soll dabei ein Projekt in dem Kanton Una Sana im Nordwesten Bosnien- Herzegowinas haben. Mit EU- Geldern sollen dort in rund 80 Gemeinden Häuser und Arbeitsplätze geschaffen werden – zu gleichen Teilen für Vertriebene, vor Ort Gebliebene und für Flüchtlinge vor allem aus Deutschland. Technologiezentren und Bauhöfe sollen den Wohnungsbau mit Know-how und Material unterstützen, günstige Kredite sollen die Landwirtschaft reaktivieren.

Doch das 75 Millionen Mark teure Projekt, dessen Start für den 1. September geplant war, kommt nur schleppend in Gang. Bisher fehlt vor allem eine klare Zielgruppe aus Deutschland. Außerdem hat die EU bislang die Gelder für dieses Jahr noch nicht bewilligt. Vera Gaserow