Es gibt Wichtigeres als Helmut Kohl

■ Der Friedensnobelpreisträger und Bischof von Ost-Timor besucht lieber seine Gemeinden, als den deutschen Kanzler in Indonesien zu treffen. Der hatte noch kurzfristig versucht, einen Termin bei Carlos Belo zu bekommen

Jakarta (taz) – Der Friedensnobelpreisträger und Bischof von Ost-Timor, Carlos Belo, ließ sich gestern entschuldigen. Er könne die Einladung von Bundeskanzler Helmut Kohl, der sich seit Samstag zu einem Staatsbesuch in Indonesien aufhält, nicht annehmen. Begründung: Er müsse momentan seine Gemeinden in der Diözese besuchen, und die religiösen Verpflichtungen gingen vor. Der Kanzler reagierte enttäuscht: „Ich bedaure das sehr“, sagte er auf der gestrigen Pressekonferenz. Er habe alles versucht, um ein Gespräch mit Belo zu ermöglichen. Man habe dem Geistlichen sogar ein Flugzeug zur Verfügung stellen wollen. Vergeblich.

Was Belo zu der Absage bewegt hat, blieb gestern völlig unklar. Der Bischof, den das Nobelpreiskomitee für seinen mutigen Einsatz gegen die Übergriffe des indonesischen Militärs gegen die Bevölkerung des annektierten Ost-Timor ehrte, hat in der Vergangenheit oft betont, daß er sich vor allem als Geistlicher sehe. Möglicherweise wollte er sich nicht für eine politische Geste des deutschen Bundeskanzlers zur Verfügung stellen.

„Ich kann das nicht nachvollziehen“, kommentierte ein Regierungsvertreter die Absage gestern enttäuscht. Die deutsche Regierung gehöre doch zu den Fürsprechern Ost-Timors in Europa. Kohl, der mit einer großen Wirtschaftsdelegation nach Indonesien gekommen ist, war von den bundesdeutschen Oppositionsparteien aufgefordert worden, seinen Gastgeber Suharto auf die Verletzung von Menschenrechten in Indonesien anzusprechen. Das habe er „intensiv und ernsthaft“ getan, beteuerte der Bundeskanzler gestern. Rüstungsgeschäfte seien hingegen „kein Thema“ gewesen.

Am Nachmittag hatte Kohl sich auch mit sechs katholischen und protestantischen Kirchenvertretern getroffen, die ihn über die Situation der Christen im überwiegend muslimischen Indonesien informierten. In den vergangenen Wochen war es mehrfach zu Übergriffen gegen christliche Gemeinden gekommen, bei denen zahlreiche Kirchen und Gemeindehäuser angezündet wurden. Die den Kanzler begleitenden Bundestagsabgeordneten trafen sich unterdessen mit der staatlichen Menschenrechtskommission und regierungsunabhängigen Gruppen.

Wie bereits bei früheren Asienreisen des Kanzlers sollte die Unterzeichnung von Wirtschaftsverträgen auch diesmal zeigen, wie erfolgreich die Bonner Wirtschaftsförderung im Ausland ist: Im Präsidentenpalast konnten gestern „25 Verträge, Abkommen und Absichtserklärungen“ zwischen deutschen und indonesischen Firmen unterzeichnet werden, sagte Wirtschaftsminister Günter Rexrodt. Das Volumen der Kaufverträge bezifferte er auf 600 Millionen Mark, das der Joint-ventures auf etwa 745 Millionen. Am Tag zuvor hatte er noch eine Gesamtsumme von nur 1,05 Milliarden erwartet.

Die indonesische Presse berichtete über den deutschen Staatsbesuch ausführlich – einschließlich der Forderung von SPD und Grünen, Suharto nach den Menschenrechten zu fragen. Den Privatbesuch des Kanzlers auf einer Privatinsel seines Gastgebers dokumentierte die Jakarta Post mit einem Foto der beiden lächelnden Regierungschefs, die einen Fisch am Angelhaken hielten – ohne dabei zu verraten, wer das Tier gefangen hatte. Jutta Lietsch