Gesockelt und für groß befunden

■ Kunsthallen-Direktor Uwe M. Schneede zeigt die teilfertige Einrichtung der Kunstinsel

Aufgeräumt, wohlsortiert und seriös präsentieren sich die Kunstwerke in der neuen Kunstinsel. Das klassizistische Kammer/Saal/Kabinett-Programm, das der Architekt Oswald Mathias Ungers hier für richtig bemessen hat, setzt tatsächlich eine Art Katalog-Passepartout, in dem sich jede Arbeit gleich darstellt: als Dokument hehrer Kunst, als bedeutendes Exponat der Kunstgeschichte, als gesockelt und für groß befunden.

Was sich bei der Besichtigung des fertigen Baus vor wenigen Wochen abzeichnete, daß Ungers Konzept einer Architektur, die von sich behauptet, vollständig hinter der Kunst zurückzutreten, ein ganz deutliches Vorwort der Erhabenheit zu jedem Kunstwerk spricht, bewahrheitet sich jetzt, wo viele Räume des Neubaus eingerichtet sind. Spiel und Beweglichkeit gibt es hier nur in Jahresabständen, wenn Kunstwerke um- oder abgehangen werden, Maß und Zahl diktieren ansonsten die Wahrnehmung.

Kunsthallen-Direktor Uwe M. Schneede, der gestern wieder einen großen Troß Journalisten durch die neue Galerie der Gegenwart führte, um vorzustellen, was in den weißen Kuben bei der Eröffnung am 23. Februar 1997 zu sehen sein wird, paßt das prima ins Konzept der kunstgeschichtlichen Rahmenwerkung. Dabei wechseln sich in Themen- oder Künstlerräumen bekannte Exponate aus der Sammlung der Kunsthalle mit neuen Leihgaben, Ankäufen und auch Auftragsarbeiten ab: So hat Richard Serra Blei verspritzt, Ilya Kabakov richtet ein Krankenzimmer mit heilenden Monumentalgemälden und deutscher Klassik als Gegenstück zu einem amerikanischen Wohnzimmer von Kienholz ein, Jannis Kounellis hat Steine in Säcken geschichtet und Jenny Holzer eine Laufschrift-Anzeige im Tunnel zwischen den Gebäuden installiert, die in einer Geschwindigkeit vor dem Besucher herläuft, daß einem schnell die Augen schmerzen.

Der Sortiervorgang nach kunstgeschichtlichen und nationalen Komplexen gruppiert hier Pop-Art, dort Concept-Art, dazwischen Fluxus, Minimal und eigene Kabinette für die Heroen der Moderne von Beuys bis Oldenburg im Keller. Im schönen Lichthof nur Sitzmöbel von Ungers und eine Skulptur von Stephan Huber. Im ersten Stock gegenwärtige deutsche Kunst, ebenfalls mit Künstlerräumen etwa zu Thomas Ruff oder Thomas Schütte, und eine starke Gewichtung auf fotografische Arbeiten. Im zweiten Stock amerikanische Zeitgenossen. Hier vor allem stark vertreten: Bruce Naumann, Jeff Koons, Mike Kelly und Robert Gober. Im dritten Stock dann die Würdigung an drei deutsche Malerbarone: Baselitz, Richter und Polke erhalten jeweils ein Drittel der Ausstellungsfläche unterm Dach, dazu gesellt sich noch etwas weitere deutsche Tafelkunst von Penck, Kiefer und anderen. Genau so stellt man sich das deutsche Museum der Kunstgeschichte seit 1960 vor.

Till Briegleb