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Werbetafeln verunstalten Antikriegsgemälde

■ Kunst oder Kommerz am Schöneberger Pallasbunker? Das ist hier die Frage

Zerbombte Häuser, riesige Schuttberge, aufgebrochenes Straßenpflaster – die Potsdamer Straße im Jahre 1945. Festgehalten ist dieses „Bild der Zerstörung“ auf einem 70 Quadratmeter großen Mauerbild am Bunker in der Pallasstraße. Auf Initiative der Alternativen Liste und verschiedenen Schöneberger Gruppen ist es 1983 entstanden, unter Federführung des Malers Sigurd Wendland. Jetzt wird es mit großen, soeben angebrachten Werbeflächen verunstaltet – mit Genehmigung des CDU- Baustadtrats.

Der Schöneberger CDU war das Bunkerbild von Anfang an ein Dorn im Auge. Statt „der AL- Kriegsvision“ hätten die Christdemokraten viel lieber ein „lebensbejahendes Coca-Cola-Bild“ auf dem Bunker gesehen. Alle Versuche, das größte politische Wandbild Berlins von der Bildfläche verschwinden zu lassen, scheiterten jedoch. Die CDU rang sich letztendlich zu dem Standpunkt durch: Das Bild habe den Bezirk kein Geld gekostet, so wolle sie auch keines für dessen Beseitigung ausgeben.

Das Bild ist längst zu einem Symbol Schönebergs geworden. Wim Wenders drehte in seinem Schatten den Film „Himmel über Berlin“, Schüler der benachbarten Sophie-Scholl-Schule nutzten es als Vorlage für eigene Wandbilder. Freilich: Der Zahn der Zeit hat nach 13 Jahren seine Spuren hinterlassen. „Es müßte unbedingt restauriert werden“, sagt Künstler Wendland. Die Farben sind verblaßt, die Konturen nicht mehr allzu deutlich. Wer die Restaurierung zahlt? „Gespräche mit dem Bezirksamt haben schon vor längerem stattgefunden.“ Im Moment aber, sagt Maler Sigurd Wendland, sei die drängende Frage eine andere.

Seit Tagen prangen zwei große Werbeschilder unter dem Bunkerbild. Die Telekom wirbt und auch ein Sprudelunternehmen. Für Wendland sind die Werbetafeln eine Ignoranz gegenüber der Kultur. Sie seien fast schon typisch dafür, wie Berlin mit seiner Geschichte umgehe. CDU-Baustadtrat Lawrenz hat seine Zustimmung für das Anbringen der zwei Werbetafeln gegeben. Für eine Stellungnahme war er gestern nicht zu erreichen.

Otto Edel, SPD-Stadtrat für Stadtentwicklung, wirbt um Verständnis für diese Maßnahme: „Die Werbetafeln bringen Geld. Sie wissen ja, wie die finanzielle Situation der Bezirke ist. Wir müssen alle Einnahmemöglichkeiten ausschöpfen.“ Daß die Werbung nun direkt unter dem Bunkerbild plaziert worden sei, finde auch er „nicht gerade schön“. Aber im Moment könnten ästhetische Gründe nicht immer berücksichtigt werden. Jens Rübsam

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