Schneller sammeln

■ Von Beuys geprägt, vom Kunsthandel unterstützt: Die Sammlung Froehlich wird in Tübingen und Stuttgart gezeigt

Es war eine regelrechte Erweckung: Als der aus Österreich stammende und in Stuttgart lebende Unternehmer Josef Froehlich von Joseph Beuys' Aktion zur Eröffnung der documenta 1982 in Kassel erfuhr – Beuys schmolz eine Nachbildung der Zarenkrone zu einem „Friedenshasen“ um –, wollte er diesen Hasen unbedingt erwerben. Da Froehlich auch noch bereit war, das parallel gestartete 7.000-Eichen-Projekt, das schon vor Beginn zu versanden drohte, durch eine Geldspende anzuschieben, weckte er das Interesse von Beuys. Nachdem sie sich kennengelernt hatten, konnte Beuys den Unternehmer davon überzeugen, sich von seiner Wohnungsdekoration zu trennen und ein zielstrebiger Sammler zu werden.

Angeregt von Beuys, Kunsthändlern wie Franz Dahlem oder dem Beuys-Freund und Leiter der Tübinger Kunsthalle Götz Adriani – die Aufteilung zwischen Stuttgart und Tübingen lag also nicht nur wegen des Umfangs der Sammlung nahe –, entstand in 14 Jahren eine erstaunliche Kollektion. Dank der Beschränkung auf 19 Künstler konnten jeweils „Sammlungsblöcke“ angelegt werden, ein Begriff, der von Beuys stammt, dem es 1967 gelang, seine erste retrospektive Ausstellung in Mönchengladbach beinahe vollständig an den Sammler Ströher zu verkaufen, heute der „Darmstädter Block“ des Landesmuseums.

Selbst bei den in den achtziger Jahren begehrten Beuys-Zeichnungen gelang dem Ehepaar Froehlich ein Überblick vom Frühwerk an. Auch die Warhols bieten eine kleine Retrospektive innerhalb der Ausstellung von frühen Monotypien bis zur letzten Arbeit, „Leonardos Abendmahl“. Selbst die Polke- und Richter-Blöcke sind verblüffend – zentrale Bilder dieser Künstler waren noch in den achtziger Jahren zu haben.

Den Froehlichs geht es nicht nur um Repräsentation. Das zeigen die 64 fragilen Polke-Zeichnungen und Fotoarbeiten. Es gab auch kluge Beschränkungen: etwa von Cy Twombly, dem Zeichner-Maler, nur Arbeiten auf Papier zu erwerben und doch einen Überblick zu bekommen. Und es gab keine Scheu vor den „neuen Medien“, Bruce Naumann ist mit drei Videoinstallationen, Dan Flavin mit seinen Neonarbeiten vertreten.

Die Kombination deutscher und amerikanischer Künstler mag für eine Epoche deutsch-amerikanischer Freundschaft stehen, die 1989 in dieser Form ein Ende fand. Baselitz, Penck und Kiefer, die in den USA als „typisch deutsch“ rezipiert wurden, treffen auf Donald Judd und Richard Artschwager. Hinzu kommen die Beuys-Schüler Knoebel und Palermo. Insofern ist es schade, daß in Tübingen und Stuttgart diese Zusammenhänge auseinandergerissen werden: Warhol, Beuys und Twombly sind in Tübingen, die restlichen deutschen Künstler in der Staatsgalerie und weitere Amerikaner im Kunstverein zu sehen.

Die Froehlichs sind keine Entdecker und keine Mäzene. Sie sammeln mit dem kühlen Überblick des Sachverständigen. Sie arbeiten mit dem Kunsthandel zusammen und nicht – bis auf Beuys und Warhol, von dem sich Josef Froehlich porträtieren ließ – mit den Künstlern selbst, die in den meisten Fällen auch gar nicht mehr im Besitz ihrer frühen Werke sind. Der Ausstellungs- und zugleich Bestandskatalog dokumentiert diese Entwicklung, die sonst gerne schamhaft zurückgehalten wird, vorbildlich. Daß es die Künstler der Generation der Sammler sind – alle bis auf Rosemarie Trockel fanden in den sechziger und siebziger Jahren zu ihrem eigenen Ausdruck –, ist eher nachträgliche Legitimation.

Zur Zeit werden die Sammler reihum gefeiert: In Baden-Baden zeigt Frieder Burda seine Sammlung mit Richter, Polke und Arnulf Rainer; in Köln breitet Reiner Speck, der immer im Schatten des verstorbenen Peter Ludwig stand, seine Sammlung aus, und in Berlin eröffnet der Hamburger Bahnhof, den man eher in „Museum Marx“ umbenennen sollte. Erstaunlich ist dabei, wie sehr sich die Sammlungen gleichen. Sie präsentieren einen festen Kanon von etwa 20 Künstlern, die für die letzten 30 Jahre als prägend angesehen werden. Wie zukünftige Generationen diese Monotonie beurteilen, sei dahingestellt.

Der „Friedenshase“, mit dem bei den Froehlichs alles anfing, gelangte als Leihgabe in den Beuys- Raum des 1984 eröffneten Neubaus der Staatsgalerie Stuttgart. Das Sammlerehepaar entwickelte seither ein Bewußtsein dafür, daß ihre Leidenschaft keine private Angelegenheit bleiben sollte. Anders als bei der Sammlung Marx gibt es keine undurchsichtigen Einfluß-, Macht- und Verteilungskämpfe. Den Kunstbenutzern kann es dabei nur recht sein, wenn es Leute gibt, die den Satz, daß Eigentum verpflichtet, ernst nehmen. Wenn sie damit ihre Eitelkeit befriedigen, ist das ein wohlfeiler Preis. Andreas Strobl

Bis 24.11., Kunsthalle Tübingen, Staatsgalerie Stuttgart, Württembergischer Kunstverein Stuttgart. Danach Deichtorhallen und Kunsthalle Hamburg, 23. Januar bis 13. April 1997. Katalog: 39 DM in der Ausstellung