Arrivederci, Franca Magnani

Die unbequeme Korrespondentin ist tot. Sie war eine der besten, die das Fernsehen je hatte. Den jahrelangen Rechtsstreit mit dem Bayerischen Rundfunk hat sie amüsiert durchgestanden  ■ Aus Rom Werner Raith

So wie sie wollten wir eigentlich alle sein, die wir aus Italien berichten. Franca Magnani, eine Kollegin, die sich für nichts zu gut war, die in abrutschende Schlammassen am Vomero von Neapel hineinwatete und sich „zu Hause“ mit den Mächtigen im Fernsehen anlegte, die einen unfehlbaren Riecher für gute Geschichten hatte und sich vor allem denen widmete, die sonst keine Stimme hatten. Am Montag abend ist sie, 71jährig, in Rom gestorben.

Franca Magnani war Römerin von einer Statur, daß man ihr eine andere Stimme als diese kehligen Laute mit dem offenen e und dem rollenden r überhaupt nicht abgenommen hätte. Über sich selbst hat sie nur dann gesprochen, wenn es sich zufällig ergab, weil andere Erlebnisse berichteten, die den ihren ähnlich waren. Dabei hatte sie eine Geschichte, die bewegter nicht sein konnte. Es dauerte Monate, bis ein Verleger sie bewegen konnte, einiges aus ihrem Leben aufzuschreiben. „Eine italienische Familie“ stand danach lange auf den Bestsellerlisten.

1925 in Rom geboren, kam sie gerade „recht“ zu Mussolinis Sondergesetzen gegen die Parteien – ihr Vater aber war Sekretär der Republikanischen Partei und Chefredakteur der Parteizeitung la Voce Repubblicana. Es blieb ihm nichts anderes als das Exil, in das ihm auch seine Frau folgte – und schon begannen für Franca die Probleme. Denn das Regime ließ die Kinder zuerst nicht ausreisen, sie lebte drei Jahre bei ihrem Großvater in Todi, dann erst konnten Beziehungen nachhelfen, daß auch sie Italien verlassen durfte.

Zuerst Exil in Frankreich, dann in der Schweiz – für Franca schon damals ein Alptraum, denn „eine derart geordnete Welt kannte niemand von uns“. Doch im Exil entwickelte sich um die Schiavettis (Francas Mädchenname) ein reges kulturell-politisches Leben. Sandro Pertini, der spätere Staatspräsident, war dabei, der Dichter Ignazio Silone, eine ganze Reihe später wichtiger Intellektueller.

Die wichtigste Wende aber nahm Franca Magnanis Leben nach dem Weltkrieg, als sie Valdo Magnani kennenlernte, einen schon in der illegalen KPI tätigen widerborstigen Denker – der schon bald den Stalinismus anprangerte und sich damit von der damaligen Parteilinie so weit entfernte, daß er aus der KP ausgeschlossen wurde: „Nun begann die Emigration im eigenen Lande“, ein schreckliches Trauma für die Familie. Franca Magnani hatte inzwischen in London und Bonn als Journalistin gearbeitet, schrieb dann ab 1951 für die Schweizer Frauenillustrierte Annabel und für die Weltwoche. Danach ging sie nach Rom zurück, arbeitete für den Vorwärts und Die Tat – und wurde 1964 Italien-Korrespondentin des ARD-Studios in Rom.

Innerhalb weniger Jahre wurde sie zur beliebtesten Auslandsreporterin des deutschen Fernsehens – und damit zur wohl meistgehaßten Frau der in den oberen Etagen herrschenden Männerriege. Der für die ARD federführende Bayerische Rundfunk, vor allem ihr damaliger Studioleiter Wolf Feller, ließen nichts unversucht, die Unbequeme zu deckeln und zu demütigen.

Schließlich verfielen sie gar auf die Idee, Franca Magnani mit 53 Jahren in Pension zu schicken. Mit der Begründung, in Italien sei dies möglich. Ein jahrzehntelanger Rechtsstreit folgte, bis Franca Magnani recht bekam – sie war nach deutschem Pensionsrecht zu behandeln; die riesige Nachzahlung, die die ARD berappen mußte, stiftete sie uneigennützigen Zwecken. Gelebt hat sie in der Zwischenzeit von Gelegenheitsaufträgen, bis Radio Bremen ihr eine Talk-Show anbot.

BR-Fernsehdirektor Gerhard Fuchs würdigte Franca gestern als „engagierte und streitbare Journalistin, die unser Programm mit einer eigenen unverwechselbaren Handschrift mitprägte“. Im Laufe der Jahre hatte sich auch die KPI auf ihr ehemaliges Mitglied Valdo Magnani besonnen, der inzwischen längst gestorben war – 1987 wurde seine Rehabilitierung in Gang gesetzt.

All diese späten Wendungen hat Franca eher amüsiert durchgestanden – und gerne über die Verbiegungen und Verrenkungen der Mächtigen berichtet, die sie gegen sich hatte. So etwa, als Wolf Feller sie anschrie: „Sie werden noch auf den Knien vor mir liegen“, und sie ruhig antwortete: „Ich werde, außer vor Gott, niemals vor jemandem auf den Knien liegen“ – „da wurde der ganz blaß“.

Ihre Reportagen hatten jene Mischung aus persönlicher Betroffenheit und sachlicher Information, die nie wieder jemand erreicht hat: Sie schämte sich nicht zu weinen, wenn sie Elend sah, und sie zögerte auch nicht, die Dinge beim Namen zu nennen, wenn sie Korruption und Schweinereien sah; eine lange Reihe Politiker verweigerten ihr nach „bösen“ Erfahrungen Interviews. Was sie nicht abhielt, über diese Leute weiter zu berichten.

1992 erhielt Franca das Bundesverdienstkreuz, Ende der 80er Jahre wurde ihr der Fritz-Sänger- Preis für mutigen Journalismus verliehen. „Keine Ahnung, was das ist“, sagte sie mir, bevor sie zum Empfang abflog, „aber vermutlich ist es so ein Preis, den schon alle anderen haben, und ich bin die letzte, der sie ihn noch aufdrehen können.“

Ciao, Franca. Wir haben dich sehr geliebt.