Mit Willy Brandts Hilfe die USA erschrecken

■ Die EU-Außenminister haben es doch noch geschafft, sich auf eine gemeinsame Linie gegen die US-Kuba-Sanktionen zu einigen – mit einem juristischen Trick

Luxemburg (taz) – Mit einem Griff in die juristische Trickkiste haben die 15 EU-Außenminister in der Nacht zu gestern doch noch ein Bündel von Antiboykottmaßnahmen beschlossen, mit denen sich die EU gegen US-Sanktionen zur Wehr setzen will. „Jetzt herrscht Waffengleichheit“, jubelte der EU-Handelskommissar Sir Leon Brittan, und aus Washington hagelte es prompt Kritik: Die EU solle sich besser um Menschenrechte in Kuba kümmern, moserte US-Außenamtssprecher Nicolas Burns.

Die Antiboykottverordnung der EU richtet sich vor allem gegen das umstrittene Helms-Burton- Gesetz, das der US-Kongreß im Frühjahr beschlossen hat, um das sozialistische Kuba endgültig in die Isolation zu treiben. Das Gesetz gibt US-Firmen die Möglichkeit, ausländische Unternehmen vor US-Gerichten auf Schadenersatz zu verklagen, wenn sie Geschäfte mit kubanischen Firmen machen, die aus dem Besitz enteigneter US- Amerikaner hervorgingen. Betroffen sind vor allem Reiseunternehmen, die auch Filialen in den USA unterhalten und deshalb Gefahr laufen, daß dort ihre Konten beschlagnahmt werden.

Die Europäische Union sieht in diesem Gesetz einen Bruch des internationalen Rechts, weil dadurch US-Gesetze unzulässigerweise auf andere Länder ausgedehnt werden. Die Antiboykottmaßnahmen der EU sollen die USA abschrecken, das Helms-Burton-Gesetz jemals anzuwenden. Die Maßnahmen sehen unter anderem vor, daß europäische Firmen, die in den USA verklagt werden, ihrerseits vor europäischen Gerichten auf Schadenersatz klagen können. Die Gerichte können dann anordnen, daß die betroffenen Unternehmen aus dem europäischen Vermögen der US-Firmen entschädigt werden, die ihnen das Ganze eingebrockt hatten, die also auf der Grundlage des Helms-Burton-Gesetzes geklagt hatten.

Im Grunde waren sich alle 15 EU-Regierungen seit langem einig, daß die Antiboykottverordnung nötig sei. Auch die dänische Regierung stand von Beginn an hinter den Maßnahmen, hatte jedoch ein ernstes Problem. Das traditionell euroskeptische dänische Parlament befürchtete, daß die EU durch die Antiboykottverordnung neue Zuständigkeiten bekommen würde, die bislang den nationalen Parlamenten vorbehalten waren. Nach Auffassung des dänischen Parlaments berühren die Maßnahmen nicht nur das allgemein als EU-Zuständigkeit anerkannte Handelsrecht, sondern auch die Justizpolitik.

Im Gegensatz etwa zum deutschen Parlament gibt das dänische seiner Regierung vor jedem EU- Ministertreffen ein eng begrenztes Verhandlungsmandat mit. Die dänische Regierung sah sich deshalb außerstande, der EU in Luxemburg irgend etwas zuzugestehen, was sie bisher nicht durfte.

Das war die Stunde der Juristen, die bei solchen Verhandlungen mit Rat und Tat zur Seite stehen. Irgendeiner zog plötzlich ein altes Papier von 1968 hervor, das noch von Willy Brandt unterschrieben wurde, als er deutscher Außenminister war. Die „Brüsseler Vereinbarung über die Vollstreckung und Durchführung von Zivilurteilen“ beschreibt ziemlich genau jene gegenseitige Anerkennung von Gerichtsurteilen, die für die Antiboykottmaßnahmen nötig ist. Damit konnte die dänische Regierung, die in Luxemburg in ständigem telefonischen Kontakt mit dem Parlamentsausschuß zu Hause stand, dem Paket zustimmen: Die neuen Kompetenzen für die EU sind nicht wirklich neu, sie wurden schon einmal beschlossen. Nur wußte das niemand mehr.

Daß die Maßnahmen jemals angewandt werden, glaubt ohnehin kaum jemand. Sie sollen die USA vielmehr abschrecken, das Helms- Burton-Gesetz gegen europäische Firmen einzusetzen. „Wir haben gezeigt“, sagte EU-Handelskommissar Brittan, „daß wir uns gemeinsam verteidigen können, wenn unsere Interessen wirklich gefährdet sind.“ Alois Berger