Kein Parteiknatsch bei den Grünen

Nach den falsch verstandenen Äußerungen und den Mißverständnissen in den vergangenen Tagen gaben die Fraktionssprecher Müller und Fischer eine gemeinsame Pressekonferenz  ■ Aus Bonn Bettina Gaus

Selbst Stehplätze waren gestern nur schwer zu bekommen, als die Fraktionssprecher der Bündnisgrünen, Kerstin Müller und Joschka Fischer, auf einer Pressekonferenz ihre unterschiedlichen Positionen zu künftigen Militäreinsätzen in Bosnien erläuterten. Wer jedoch auf eine Fortsetzung des in den letzten Tagen parteiinternen Streits zum Thema gehofft hatte, wurde enttäuscht: Die Fraktionssprecher bemühten sich stärker darum, Gemeinsamkeiten hervorzuheben, als Unterschiede zu betonen.

Als zentrales Thema wurde von beiden nach ihrer Bosnien-Reise der Umgang mit bosnischen Bürgerkriegsflüchtlingen in Deutschland bezeichnet. Die außenpolitische Glaubwürdigkeit der Bundesrepublik stehe hier auf dem Spiel.

Übereinstimmend verurteilten Kerstin Müller und Joschka Fischer den Beschluß der deutschen Innenminister, Flüchtlinge, notfalls auch gegen ihren Willen, in ihr Heimatland abzuschieben. „Was Bosnien braucht, ist ein langfristiges Konzept“, meinte Kerstin Müller. Ihr Fraktionskollege Fischer assistierte: „Gegenwärtig sind weder die materiellen noch die politischen Bedingungen für eine massenhafte oder gar zwangsweise herbeigeführte Rückführung der bosnischen Flüchtlinge aus Deutschland gegeben.“ Die Entscheidung der Innenminister müsse zurückgenommen oder mindestens ausgesetzt werden.

Auch bei anderen Themen herrschte Einigkeit: Bosnien habe nur als demokratischer, multiethnischer und ungeteilter Staat eine Zukunft. Es bedürfe massiver Hilfe beim Aufbau unabhängiger Medien und einer unabhängigen Justiz. Die Notwendigkeit, den zivilen Aufbau auch weiterhin militärisch abzusichern, stellten beide nicht in Frage.

So ganz ließen sich die Meinungsverschiedenheiten aber doch nicht unter den Teppich kehren. Der Auftrag, den Frieden in Bosnien zu sichern, müsse wieder an die UNO ergehen, erklärte Kerstin Müller. Sie forderte ein „robustes Mandat“ für einen Blauhelmeinsatz. Die Nato sei derzeit nicht willens, zentrale Aufgaben, wie die Garantie der Bewegungsfreiheit oder die Verhaftung von Kriegsverbrechern, zu erfüllen.

Joschka Fischer sprach sich demgegenüber erneut für einen weiteren Verbleib von Nato-Truppen in Bosnien aus: „An einer Verlängerung des Ifor-Mandats führt kein Weg vorbei.“

Weiter festlegen mochten sich die Fraktionssprecher nicht. Wie wer im Dezember stimmen wird, wenn über den Antrag der Bundesregierung auf weitere Stationierung deutscher Truppen in Bosnien im Bundestag entschieden wird, bleibt offen: „Ich möchte erst mal den Antrag sehen“, meinte Fischer. Auch diesen Wunsch teilt er mit seiner Fraktionskollegin.

Beendet dürfte der Streit bei den Grünen allerdings auch nach dieser Pressekonferenz nicht sein. Unklar ist noch, ob das Thema auf dem Parteitag Ende November eine Rolle spielen wird. Parteisprecherin Krista Sager erklärte, ein Blauhelmeinsatz „würde nicht funktionieren“. Die Diskussion darüber tauge nur „für ideologische Fingerübungen“. Sie sprach sich für eine Verlängerung des Auftrags an die Nato und damit klar gegen die Forderung ihres Kollegen Jürgen Trittin nach einem UNO-Einsatz aus. Die Debatte geht weiter.