„Die FDP kann nur an unserer Seite überleben“

■ Heiner Geißler, Stellvertretender Vorsitzender der CDU-Bundestagsfraktion, zum Koalitionsstreit mit der FDP und über Steuererhöhungen zur Deckung der Haushaltslücke

taz: Herr Geißler, kommt der Koalitionsstreit für Sie überraschend?

Geißler: Ich habe vorausgesehen, daß es zum Krach kommt. Die vorgesehene Absenkung des Solidaritätszuschlags war von Anfang an ein Fehler. Das ist damals nur mit Rücksicht auf die FDP so entschieden worden. Die FDP ist unser Koalitionspartner, aber halt mit allen Schwierigkeiten. Bestimmte Vorstellungen der FDP sind eben in der Union nicht mehrheitsfähig, wie Kürzungen von Erziehungsgeld oder eine Befristung der Arbeitslosenhilfe.

Kann es sein, daß das Ende der bestehenden Koalition bevorsteht und sich statt dessen eine Große Koalition am Horizont abzeichnet?

Eine Große Koalition ist schwer vorstellbar. Die steuer-, wirtschafts-, und sozialpolitischen Vorstellungen sind zu weit auseinander. Das Reden über eine Große Koalition ist reine Spekulation. Die Regierungskoalition ist nicht am Ende.

Wer hat denn ein Interesse an einem Koalitionsstreit in der Öffentlichkeit?

Ein Interesse daran hat niemand. Er ergibt sich aus der Natur der Sache. Die FDP hat nachgegeben, der Solidaritätszuschlag läuft weiter. Angriffe auf Finanzminister Waigel dienen da eher als Ablenkungsszenario.

Sie sind also der Meinung, daß der Finanzminister eine solide Haushaltspolitik macht?

Wenn Sie mich so fragen, muß ich ja sagen.

Wie würden Sie denn gern gefragt?

Was man hätte anders machen können? Zum Beispiel den Solidaritätszuschlag, wie von der CDU beschlossen, auf vier Jahre beizubehalten, anstatt ihn nach einem Jahr wieder abzuschaffen. Als der Kohlepfennig dieses Jahr wegfiel, hätte man Ersatz schaffen können, etwa in Form einer Ökosteuer.

Was für Vorschläge haben Sie denn zur Deckung der Haushaltslücke?

Ich mache keine Vorschläge mehr. Der soziale Friede ist ein höheres Gut als manche Neokapitalisten und manche Klientelpolitiker meinen.

Wo soll denn nun das Geld herkommen?

Vor acht Tagen sind die Fraktionen davon ausgegangen, daß alle Ressorts gemeinsam das Geld aufbringen müssen. Das wäre ja auch merkwürdig, wenn bei einem Etat von über 400 Milliarden sich nicht drei Milliarden finden ließen. Wenn überall mit derselben Verantwortung für das Ganze wie in der Sozialpolitik gespart wird, sind die Probleme lösbar.

Werden CDU/CSU und FDP Ihrer Ansicht nach mit einem klaren Bekenntnis zum Fortbestand der Koalition in den nächsten Bundestagswahlkampf gehen?

Das weiß ich nicht. Aber die FDP kann nur an unserer Seite überleben.

Kann die FDP denn weitere Kompromisse als Partei überstehen?

Natürlich übersteht's die FDP, weil wir die drei Milliarden finden werden. Die Hauptgefahr ist, daß die Freien Demokraten jetzt in eine selbstgebaute Falle tappen und uns mit hineinziehen wollen. Steuererhöhungen müssen doch mit Blick auf Notwendigkeiten in Gesellschaft und Staat entschieden werden und dürfen nicht von Parteitags- oder Vorstandsbeschlüssen abhängen. Mit negativen Festlegungen haben wir schlechte Erfahrungen gemacht. Interview: Bettina Gaus, Bonn